Skandal in Simmering

Jürgen Heimlich

von Jürgen Heimlich

Story

Am 22. Juni 2019 sollte für den österreichischen Frauenfußball ein besonderer Tag sein. Der FC Mariahilf, ein Team der Wiener Liga, hatte zum 20. Geburstag des Vereins das neu gegründete Frauenfußball-Team des Vatikan nach Wien eingeladen. Für den Gast war es überhaupt das erste offizielle Match in dessen Geschichte. Dementsprechend wollte ich mir dieses denkwürdige Spiel auf alle Fälle vor Ort in der Leberstraße in Simmering anschauen.

Doch die Wettervorhersage spielte nicht mit. Dunkle Wolken lagen über Wien und nachdem die Chance sehr groß war, dass kurz vor dem Match oder sogar währenddessen ein schweres Gewitter niedergehen mochte, entschied ich schweren Herzens, mir das stark gefährdete Match nicht anzusehen. Somit stellte ich mich auf einen Regentag im Garten ein. Zum Zeitpunkt des geplanten Anpfiffs des Spiels war kein Tropfen Regen Spielverderber. Ich bemerkte, dass die Wolkendecke aufgerissen war und sich sogar die Sonne zeigte. Ich ärgerte mich außerordentlich, jetzt nicht einem außergewöhnlichen Fußballspiel beizuwohnen. Ich hatte schon viele Frauenfußball-Matches gesehen und dann lasse ich mich von einer Wettervorhersage beeinflussen, wo ich doch weiß, dass sich Wettervorhersagen ohnehin oft nicht bewahrheiten.

Gegen 16 Uhr änderte sich meine Stimmung in einem Augenblick. Ich erhielt die Nachricht, dass das Spiel des FC Mariahilf gegen das Frauenfußball-Team des Vatikan gar nicht angepfiffen worden war. Der Grund, den ich erstaunt zur Kenntnis nahm, war das Verhalten dreier Spielerinnen des FC Mariahilf, die während des Abspielens der Hymne des Vatikan ihre Leibchen in die Höhe geschoben hatten, sodass eine Botschaft sichtbar wurde, die das Recht auf Abtreibung einforderte. Diese Provokation erwies sich als das Gegenteil von Gastfreundschaft. Als Vertreter des Papstes war der apostolische Nuntius Pedro Lopez vor Ort und konnte nicht anders, als das Spiel nach einer kurzen Besprechung noch vor Beginn platzen zu lassen. Und ich fragte mich, wie groß mein Ärger gewesen wäre, wenn ich diesen Eklat direkt am Platz miterlebt hätte? In den Medien war dieser Skandal stark präsent. Die Funktionäre des FC Mariahilf entschuldigten sich für das Verhalten der den Eklat verursachenden Spielerinnen. Es war alles für eine Feierlichkeit vorbereitet gewesen. Viele Stunden ehrenamtliche Arbeit war mit einem Schlag zunichte gemacht. Die anderen Spielerinnen des Teams waren selbst überrascht von der Aktion gewesen.

Diese Provokation zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort wurde von manchen Medienvertretern sogar gutgeheißen. Es wurde Solidarität mit den Spielerinnen gefordert. Solidarisch war ich mit den Vatikan-Frauen, die ihre Sachen packten und wieder eine lange Busfahrt nach Rom vor sich hatten, ohne zuvor ein geschichtsträchtiges Spiel absolviert zu haben. Der FC Mariahilf hätte für sehr positive Schlagzeilen sorgen können. Leider geschah genau das Gegenteil.

© Jürgen Heimlich 2020-06-18

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