Small Talk- Fast Einseitig

Jasmin Arcticwolf

von Jasmin Arcticwolf

Story

Will ich ihm etwas erzählen? Er ist mein Vater, also hat er eigentlich ein Recht darauf, oder? Ich will nicht, dass er denkt, ich wäre unhöflich oder zickig … Aber wie soll ich mit ihm reden? Es wird wie immer laufen. Ich werde anfangen zu stottern oder Dinge sagen, die ihm nicht gefallen. Oder ich fange an zu weinen … oder zu schreien. Schweigen ist besser. Tut keinem weh. Ich tue keinem weh, glaube ich zumindest. Ich lege meine Hände auf den Tisch und kratze mit der Rechten über den Handrücken meiner Linken. Der sanfte Schmerz beruhigt, während ich weiterhin den Blickkontakt mit meinem Vater vermeide. Ich höre, wie Steph etwas sagt und aufsteht. Ich blicke auf und als ich sehe wie sie in Richtung Toilette davon geht, spüre ich Panik in mir aufsteigen. Mein Blick zuckt zu meinem Vater, der mich schweigend betrachtet. Er hat seinen rechten Unterarm auf den Tisch gelegt, dabei stützt er sein Kinn auf die Hand seines linken Arms. Als er bemerkt, dass ich ihn ansehe, lächelt er und lässt seinen linken Arm sinken. „Wie war der Flug?“

„Wie war der Flug?“, frage ich in der Hoffnung die wenig persönliche Frage würde etwas zu ihrer Entspannung beitragen. Tut sie nicht. Ihre Augen zuckten zwischen mir und der Richtung, in welche Steph verschwunden ist, hektisch hin und her. Ich blicke auf ihre Hände, sehe wie sie sich immer wieder über ihre Linke kratzt. Ich seufzte leise und lege meine Hand auf ihre. Ich spüre, wie sie sich verkrampft, ziehe meine Hand aber nicht zurück, sondern streiche mit dem Daumen über ihren Handrücken. „Sobald wir zu Hause sind, darfst du dich auf dein Zimmer verziehen und solange verstecken wie du willst, versprochen. Na ja, vielleicht versteckst du dich ja keine zwei Wochen, aber du hast Zeit. So viel Zeit wie du benötigst bis du bereit bist“, ich zögere kurz „dass wir einander kennenlernen.“ Ich warte auf eine Reaktion. Irgendeine. Aber es kommt keine, also ziehe ich meine Hand zurück bevor ich hinzufüge: „Im Moment reichen mir Ein-Wort-Antworten.“ Ich lächle sie an, auch wenn sie ihren Blick auf ihre Hände gerichtet hält. Es verstreichen weitere Sekunden, in denen sie schweigt. Der Kellner kommt und bringt unsere Getränke. Lucia hat während der Bestellung kein Wort gesagt, aber ich habe ihr ein Wasser mitbestellt, welches ich nun zu ihr herüberschiebe. Sie hebt abrupt den Kopf. „Gut. Der Flug war gut.“ Dann senkt sie ihren Blick auf das Wasser. Ich nicke. „Das ist schön. Hast du Musik gehört?“ Ich sehe, wie sie zögert und ein paar tiefe Atemzüge nimmt, bevor sie antwortet: „Geschlafen.“ Das Wort nuschelt sie, doch ich verstehe sie trotzdem. „Verstehe. Zwei Ja-Nein-Fragen.“ Sie nickt. „Hattest du Angst?“ Sie nickt wieder. „Und hast du Angst?“ Lucia presst ihre Lippen zusammen, ballt ihre Fäuste. Mehr brauche ich nicht zu sehen, um ihre Antwort zu kennen. Ich lehne mich zurück, um ihr etwas Abstand zu gewähren. Steph kommt zurück und nimmt sofort das Gespräch vom Flughafen wieder auf. Wenige Zeit später steht Lucia auf, um auf die Toilette zu gehen. 10 Minuten werden zu 20 und 20 zu 30. Ich seufzte tief und blicke auf mein Teller, auf welchem ich die Hälfte für Lucia übrig gelassen habe. „Holen Sie bitte Lucia? Ich zahle und wir treffen uns dann am Auto.“ Steph nickt und macht sich auf in Richtung Toilette. Ich zahle und lasse meine Reste einpacken, bevor ich zum Ausgang gehe. Das wird schon, sage ich mir gedanklich und öffne die Tür.

© Jasmin Arcticwolf 2023-09-27

Genres
Romane & Erzählungen