von Laubhaufen
Ich bin mĂŒde.
Vom Leben.
FrĂŒher waren fĂŒr mich Tauben fĂŒtternde Alte einfach nur grantige Alte, die mit hĂ€ngenden Mundwinkeln Kinder, Hunde und Radfahrer ankeiften. Inzwischen denke ich anders, weil ich selbst so Eine werde. Meine Traurigkeit hĂ€lt sich die Waage mit meiner Einsamkeit. Nicht mal meine Therapeutin kann sich vorstellen, niemanden zum Reden zu haben, die meisten nennen so eine Sache Freundin. Hab ich nicht. Nicht, weil ich so grantig und keifend bin, sondern weil ich so derart mĂŒde und traurig vom Leben bin, dass ich eine abgelaufene Aura verströme. Abgelaufene Sachen soll man ja entsorgen, liest man immer wieder. Schimmel auf Brot, Flaum auf der Marmelade, Pelz am KĂ€se, kennt man ja.
Niemand, und das ist völlig klug, wenn man das vom Evolutionsgedanken her betrachtet, sollte sich mit traurigen Menschen umgeben, die nerven echt tierisch. Was fĂŒr mich die Sache nicht ganz verstĂ€ndlich macht, ist, dass auf âHilfeâ- Seiten eine Telefonnummer angegeben wird, wo leider nur eine weibliche Tonbandstimme wohnt. Und online finde ich Dutzende Seiten mit âZuhören und Reden ist die beste Hilfe“, âkennst du jemand in deinem Umfeld, der Hilfe brĂ€uchte – hör ihm einfach zuâ. Nö, keiner hört ohne Geld zu, zumindest nicht lange – niemand will Lebensgejammer zum Tee kredenzt bekommen. Aber zuhören hilft doch! Und reden auch! Meine Therapeutin sagt, ich soll doch mal ehrlich sagen, wie es mir geht. Im Prinzip ist das ein profundes Mittel um alle noch verbliebenen Kontakte zu vergraulen.
Sei ehrlich.
Die TaubenfĂŒtternden Alten waren gar nicht grantig. Sie waren einsam. Und traurig. Was im Leben ĂŒbrigbleibt.
Ja, wir sind alle unseres GlĂŒckes Schmied. Aber ich war doch noch nie in einer Schmiede, wie kann ich da auf mein GlĂŒck oder UnglĂŒck eindreschen und mir wĂŒnschen, dass das Hufeisen die Form eines verkehrt-rum stehenden Vulkans bekommt? Mich zielstrebig fĂŒr diese Entwicklung meines Lebens entscheiden? Therapeutisch höre ich: âZum damaligen Zeitpunkt habe ich es aus besten Wissen und Gewissen gemachtâ. Ok. Und âManchmal versteht man erst spĂ€ter, wofĂŒr dies und jenes gut oder wichtig war.â
Nö.
Dezitiert Nö.
Wie kann so viel Kummer und Schmerz und Leid und TrĂ€nen einen denn mental voranbringen, auf die nĂ€chste Lebensebene ? Manches, das einem das Leben so âschenktâ (âŠ), zerstört einen. So dermaĂen, ja, es gibt Kriege, Hunger, Not, ich weiĂ. Meine Therapeutin sagt – ich soll nicht auf die âAnderenâ achten (wie die mit Lebensbomben umgegangen sind), sondern ganz bei mir bleiben.
Nun, dann bleibe ich ganz bei mir und meiner Einsamkeit.
Sogar das Tauben fĂŒttern ist nun verboten.
© Laubhaufen 2022-11-16