Sollbruchstelle

wondersome

von wondersome

Story

Kommt ein Patient zur Ärztin und sagt ›Frau Doktor, Frau Doktor, da ist ein Loch, wo früher etwas war!‹, während er die Handflächen auf seine Brust legt. Ein guter Witz, immer wieder toll. Bloß, dass es kein Witz ist.

In mir hat einst ein Herz geschlagen, aber es ist ganz leise geworden. Fast so, als wäre es gänzlich verschwunden. Ich kann es noch spüren, ein klein wenig. Hat es verlernt, die Führung zu übernehmen? Hat es Angst, mir neue Ratschläge zu geben? Wie lange ist es her, dass ich das letzte Mal dieses aufgeregte Kribbeln im ganzen Körper gespürt habe?

Aus reiner Langeweile (und ein bisschen aus Neugierde) habe ich nachgeschlagen, was Depression eigentlich bedeutet. Mittlerweile geht man ja ziemlich inflationär mit den wichtigen Wörtern im Leben um. Und doch; die Definition des Wortes will mir brutal ins Gesicht schlagen. Depressiv ist man also, wenn man keinerlei Freude aus unterhaltsamen Dingen im Leben ziehen kann. Hört sich vertraut an. Als würde man ständig durch einen grauen Schleier laufen. Man übt Tätigkeiten nur noch aus, um es von Tag zu Tag zu schaffen.

Manchmal stolpere ich im Internet über Beiträge von Leuten, die viel mehr besitzen als ich und dennoch eine solche Gefühlswelt beschreiben. Nicht einmal die Wärme einer Familie oder der Stolz über eine vernünftige Beschäftigung können ihren Alltag erhellen. Da frage ich mich, was aus uns Menschen geworden ist. Nichts kann uns noch zufriedenstellen. Wir haben uns in unersättliche Monster verwandelt. Wie ein schwarzes Loch, das alles aufsaugt und doch nichts Neues erschafft.

Ich weiß noch, wie mir ein verbitterter Mann, als Heiler ebensolcher Verbitterter betitelt, gesagt hat, ich würde ohne sogenannte Hilfe in Form von süchtig machenden Medikamenten nicht aus diesem dunklen Schlund herauskommen. Doch ich habe es geschafft, ganz alleine. Zwar erst, nachdem ich ganz unten aufgeschlagen bin, aber immerhin.

Es ist schwierig, sich jeden Tag aufs Neue zu überwinden, dennoch ist es machbar. Was bleibt uns auch anderes übrig? Immerhin ist das Leben keine gerade Linie, welche wir ganz einfach und unbeschwert entlangwandern können. Vielmehr handelt es sich um eine Wildnis aus Ereignissen, und immer wieder müssen wir Entscheidungen treffen. Es werden Nächte kommen, in denen wir uns verirrt haben und voller Zweifel einschlafen. Dann ist es umso wichtiger, am nächsten Tag den richtigen Weg zu finden.

Und manchmal ist es einfach nur notwendig, irgendeinen Weg zu gehen. Hauptsache, wir bewegen uns weiter. Schließlich müssen wir früher oder später an einen friedvollen Ort gelangen, oder nicht?

Mag sein, dass wir Menschen dazu gemacht sind, zu brechen. Fehler zu machen. Sonst könnten wir uns niemals verbessern.

Vielleicht schlägst du demnächst wieder etwas kräftiger, mein Herz – nur so eine Idee.

© wondersome 2022-01-02

Genres
Spiritualität, Lebenshilfe
Stimmung
Dunkel
Hashtags