von Musenzeit
Sich in medialen Räumen auf dem Laufenden zu halten ist eine Challenge, die nicht nur meinen Bewegungsdrang triggert, befinde ich wieder einmal. Ich weiß schon wieder von Sachen, deren Nutzen sich mir nicht erschließen will und bei näherer Untersuchung ihre Unwichtigkeit nur bekräftigen.
Mein Hirn ist so ein Staubsauger, so effektiv wie unbarmherzig im Prozedere: Da evolutionär dafür gemacht saugt es brav ein, was ihm vor die Nase kommt, verhakt sich flux – da normalerweise im smoothen Allround-Holzparkettmodus – in Eilt-, Roter-Teppich-und-Sport-Flusennews und röchelt über Werbe-Pop-up-Brocken. Unmerklich werden die Aufmerksamkeitsdüsen verstopft, bis ich den medialen Stecker ziehe und Zeitungen, Magazine und Bücher als sinnlich ansprechendere Informationsräume anvisiere, die hoffentlich noch mit Recherche-Geist, einer ethischen Verantwortlichkeit und menschlicher Denkkreativität erstellt wurden. Instant-News-KI-Suppen zurückgehen lassen, Info-Denkdüsen reinigen. Jede einzelne Aktion ein Atemzug Lebenszeit, ich bemerke meinen Unwillen und die Frustration darüber. Hochgelobte individuelle Vielfalt, herrje, du bist anstrengend, wenn Hinz & Kunz-Alphalöwen sich brüllend zu profilieren meinen – Leo rangiert unter den Top 10 Namen, neulich wieder rauchschwer bekräftigt – die die Kollektivsavanne in dauerndem Aktivitätsaufruhr der Bedürftigkeit und Mangelwahrnehmung hält. Wenn wichtige Entscheidungen nicht wie im Dschungelfieber getätigt würden, wohin kämen wir dann?
Kennt jemand den finnischen Schreichor? Mieskuoro Huutajat („Die Rufer“) begegnen mir in einer Dokumentation über Stimmen, dieser Chor existiert seit 1987 in der finnischen Industriestadt Oulu. Man(n) nähme sich nicht so ernst, sagt der sympathische Leiter Sirviö des unklassischen Chores. Rufen bzw. Schreien sei ja sehr anstrengend, die Stücke also kurz, danach herrsche wieder die ganze Woche lang eher Schweigen im Walde unter den Männern. Beim Bier-Shoppen nach der Probe wirken sie erfrischt. „Schreien macht durstig“, scherzt einer. Nationalhymnen verschiedener Länder, Volkslieder, Donauwalzer und europäische Gesetzestexte erhielten die Aufmerksamkeit, von ihnen gerufen zu werden. Wer weiß, vielleicht sind noch Ruf-Plätze in so einem Chor zu vergeben und man könnte aus der ein oder anderen brüllenden Alpha-Stimme noch etwas spannend Bühnenreifes machen, wo sich lautstarkes Drama mit Fokus auf Genuss statt Beschuss entfalten darf. Und man weiß, nach der Vorstellung ist wieder Ruhe im Karton, da kann sich dann ein Kater wieder in Ruhe darin schlafen legen.
Oder man hört sich da ein alphalos da gleichwertig hochqualitativ gestimmtes, kraftvoll internationales Klangbild von 11 Männern und einer Frau aus den Berliner Philharmonikern an, die einen Bühnenabend neulich so erklingen ließen, als hinge der Himmel voller Celli, die sie spielten: Legrands „Windmills of your mind“ tanzten, mit Chevaliers „Fleur de Paris“ wurde zum „Lyrischen Walzer“ von Shostakovich gebeten, Glenn Millers „Moonlight Serenade“ weckte das Träumen, dass mit Shearings „Lullaby of Birdland“ auch Piafs „La vie en rosé“ aufersteht – und Mancinis „The Pink Panther Theme“ als Zugabe verspricht: „Heute ist nicht aller Tage; ich komm‘ wieder, keine Frage.“ Yes, please.
© Musenzeit 2025-05-13