SOMMERFRISCHE IN KOLLMITZGRABEN

Margaretha Husek

von Margaretha Husek

Story

Nah an der Grenze zu Böhmen liegt Kollmitzgraben. Es ist ein beschauliches Dorf mit zwanzig Einwohnern im nördlichen Waldviertel. Die Rotte liegt auf Höhe der Burgruine Kollmitz. Die Einheimischen, geprägt von bäuerlicher Natur, wie sie nur im Waldviertel leben, sterben sukzessive aus. Stadtflüchtige mit ihren Kindern siedeln sich zögernd an. Auch vorwiegend Wiener, die sich zum Wochenende in dieser Biedermeieridylle niederlassen.

Einige Häuser sind renoviert. Ein Haus mit großem Vorgarten stach mir heuer besonders ins Auge, weil ich vor vielen Jahren von einem befreundeten Wiener Ehepaar eingeladen wurde. Die damals noch winzig kleinen Räume wirkten düster. Mit dem neuen Besitzer kommt jetzt mehr Tageslicht in die Zimmer. Die Fassade ist weiß gestrichen und die Fensterrahmen leuchten in sattem Grün. Im gepflegten Vorgarten steht unter dem schattenspendenden Nussbaum ein Tisch mit Stühlen.

Es gibt schon lange Zeit keine Trafik, Gemischtwarenhandlung und Schule mehr. Das einzige Wirtshaus wurde zum Wohnhaus umfunktioniert. Die mobile Hauszustellung liefert Lebensmittel, Getränke und Haushaltsbedarf für das Dorf.

Mein Bruder, der sich als junger Erwachsener sich hier ein Haus kaufte, rühmt sich mittlerweile als Dorfältester. Fischen ist für ihn eine kontemplative Beschäftigung. Wir fahren mit seinem Boot die Thaya entlang bis zum steinernen Elefanten, ein Granitbrocken, der aus dem Fluss ragt. Dort schwimmen wir ein paar Runden.

Bis vor zwanzig Jahren gab es keine Autos in dem beschaulichen Dorf, mit den Erholungssuchenden und Fischern kehrte die Motorisierung ein. Und seit es eine Jausenstation auf der Ruine Kollmitz gibt, parken die Tagesausflügler mit ihren Autos zum Ärger der Bewohner in dem eingeengten Graben vor ihren Wohnhäusern.

Am Vormittag sitzt mein Bruder meistens am Ufer und bemüht sich einen Fisch zu fangen fürs Mittagessen. Ich drücke ihm die Daumen. Als Alternative würde es Champignonsauce mit böhmischen Knödeln, die ihm seine Gattin eingefroren hat, geben.

Ich wandere den Waldweg hinauf und durchstreife den Wald nach Pilzen. Es ist schwül und die Luft steht. Der Boden ist ausgetrocknet, das Laub raschelt unter meinen Schritten. Die Himbeerstauden tragen verdorrte Früchte. Es hat schon lange hier nicht mehr geregnet. Ich gehe bis zur Böhmischen Mauer und biege dann ein zum Mausoleum. Dunkle Legenden, düstere Geheimnisse, tragische Romanzen und Mord spielten sich in dieser Region ab. Der Errichtung des Mausoleums liegt eine Familientragödie zugrunde: eine Dreierbeziehung. Klinger, Schlossbesitzer von Raabs an der Thaya, überlebte schwer verletzt und ließ das nach ihm benannte Mausoleum auf dem Uhufelsen hoch über der Thaya zum Gedenken an seine Frau errichten. Dort ruht er neben seiner Frau.

Ein Donnergrollen kündigt das Ende der sengenden Hitze an. Ich steige hinunter zur Ruine und genieße einen tollen Blick über das Thayatal mit dem mäandrierenden Fluss.

© Margaretha Husek 2020-07-28

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