Sommerkälte

Ulrike Puckmayr-Pfeifer

von Ulrike Puckmayr-Pfeifer

Story
Irgendwo Irgendwann

Es ist früh am Morgen. Sommer. Ende Juni. Bald sind Sommerferien. Eine unruhige, fast schlaflose Nacht hat mich aus dem Bett getrieben. Jetzt sitze ich in der Küche bei einem Häferl Kaffee und einer Zigarette und versuche meine Gedanken schreibend zu ordnen. Von meinem Fenster aus kann ich sehen, wie ein Haus abgerissen wird. Die Arbeiter arbeiten dort schon seit zwei Stunden. Ich denke mir, dass mir eine Therapiestunde in meiner Situation guttun würde. Im Haus gegenüber ein alter Mann, der schon seit fünf Uhr früh aus dem Fenster schaut. Alte Menschen machen mich traurig. Auch mein Alter (30) macht mich traurig. Ich will so nicht mehr weiterleben. Nur weiß ich nicht, wie ich leben will. Ich spüre fast nichts von Lebenskraft und Lebensfreude in mir. Tot fühle ich mich und erfüllt von Trauer und Schmerz. Meine Ehe ist brüchig wie Glas. Das Zusammenleben mit meinem Mann hat die Grenze des noch Erträglichen erreicht. Trennung scheint der einzig mögliche Ausweg zu sein. Ich fühle mich nicht geliebt. Ein riesiges Vakuum in mir. Ich weiß nicht, ob ich lieben kann. Vielleicht kann ich das auch nicht. Ich lebe in einer Beziehung, aus der ich immer schon rauswollte, in die ich aber mittlerweile schon so verwickelt bin, dass ich das Gefühl habe, eher sterben zu müssen, als mich daraus befreien zu können. Eine unglückliche, eine leidvolle Beziehung. Von Glück kann nicht die Rede sein, obwohl ich immer wieder versucht habe, mir ein sogenanntes Glück einzureden. Vielleicht ist mein Leben mit 30 wirklich vorbei, nachdem ich beruflich und privat gescheitert bin.

Einige Tage später: Schon wieder eine schlaflose Nacht. Auch die letzte war fast schlaflos. Es ist fast halb fünf Uhr morgens. Ich bin am Ende meiner Kräfte. Heute kann ich wirklich nicht in die Schule gehen. Ich werde mich krankmelden.

Die Vorgeschichte: Letzte Nacht war er bis 5 Uhr weg. Ich habe gelitten und geweint, da ich mir dachte, dass er bei einer anderen Frau sei. Um 5 Uhr kommt er heim. Ich stehe weinend beim Geschirr abwaschen in der Küche. Er sagt zu mir: „Du bist noch nicht im Bett?“ Dann legt er sich nieder, dreht sich auf die Seite und will einschlafen. Ich schaue ihn lange an. Er sagt: „Du siehst traurig aus“. Daraufhin wieder ein Tränenausbruch meinerseits. Er sagt: „Du leidest so sinnlos. – Willst du dich zu mir legen?” Ich sage „Ja”. Er rückt näher zu mir, streichelt mich ein wenig. Ich weine mich an seiner Brust in den Schlaf. Er meint verharmlosend: „Nur weil es mir bei einem Bier so gut gefallen“ Ich sage: „Nichts reden …“ Irgendwann bin ich weg. Drei 5er Valium.

Um acht Uhr wache ich zerknirscht und schmerzgequält auf. Ich weiß, dass F. bei einer anderen Frau war. Und das tut mir weh.

Frühstück. Wir reden Allgemeines. Ab und zu ein paar versuchte und misslungene Zärtlichkeiten. Ich spüre Fremdheit ihm gegenüber nach dieser langen quälenden Nacht. Und Kälte schwebt zwischen uns, während draußen der Sommer glüht.

Wir bringen die Kinder in den Kindergarten. Dann gehen wir gemeinsam Kaffee trinken. Belanglose Gespräche, als ob alles in Ordnung wäre. Szenen einer Ehe, die die Nacht verschluckt hat.


© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2025-04-26

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional, Traurig, Angespannt
Hashtags