Sommer . Kindheit . Kärnten

Story

Ich kann mich nicht erinnern, dass ich im Sommer jemals meine Füße gewaschen hätte. Keine Zeit. Und ich sah auch keine Notwendigkeit. Helikoptereltern hatten wir auch keine. (Seufzer eines meiner Enkel, als nach 3 Tagen die Mutter in den Urlaub nachkam: Jetzt geht die Duscherei wieder los!).

Mutti vermietete jeden Winkel unseres Hauses. Papa, mein Bruder Herwig und ich mussten spätestens im Mai in den Keller. Mutti schlief auf einem Klappbett im Wohnzimmer, das sie frühmorgens abbaute, bevor in dem Mehrzweckraum (Wohn-, Schlaf- und Essraum) bis zu 12 Personen, Piefkes, befrühstückt werden konnten. Wie sie das geschafft hat, ist mir heute ein Rätsel (Mutti, schau oba, ich bewundere dich posthum unendlich für deine Stärke!!!).

Sie hatte also für die Kontrolle meiner Füße verständlicherweise keine Ressourcen frei. Ich ging bis 19, wenn es das Wetter erlaubte, nur barfuss. Oben immer schöne Kittl, das war wichtig, unten immer ohne. Und ab Mittag immer am bzw. im See. Also so dreckig werden sie vielleicht gar nicht gewesen sein, meine Fiass.

Vom See zurück sein mußten wir um Punkt 6 Uhr abends, sonst gab es Watschn’n für mich, die Ältere. Heute versteh ich das, die Angst, wenn Kinder nicht zum vereinbarten Zeitpunkt heimkommen. Und man sie auch nicht anrufen kann. Mutti hatte den „Schmäh“, uns nix zum Essen mitzugeben, und a kane Lire… Sie wußte, der Hunger würde uns heimtreiben nach 5 Stunden mehr im als am Wasser. Und ihre Tomaten waren himmlisch auf Butterbrot. Auf sechs Butterbroten, genau gesagt. Das war der langjährige Durchschnitt. Paradeiser haben wir nie gesagt, wir mussten ja so sprechen, dass uns auch die Pief….äh Deitschn verstanden. Schon in der Volksschule konnte ich im Herbst alle Idiome, Bayrisch, Kölsch, Fränkisch, Berlinsch, die Hannoveraner waren am leichtesten. Die sprachen ein Deutsch wie am Burgtheater, so erklärte man uns das.

Frau Mooosa, ick hab da draußen wat uffjebammelt – die Dame aus“Baalin“ erklärte Mutti, dass sie ihre vom Baden nassen Sachen auf unserer Wäschhäng…

Wir hatten fast nur Stammgäste, obwohl die Vögel im Garten manchmal schon ab 4 Uhr Früh einen fürchterlichen Krawall machten. Mutti hatte viel Charme, ein großes Herz und an guat’n Schmäh. Das hat wohl einiges wettgemacht, auch den Grant meines Vaters, der von Krieg und 4 Jahren in russischer Gefangenschaft traumatisiert war, würde man heute sagen. Damals dachten wir einfach, da Papa spinnt schon wieder. Nix wie weg!

(Sorry, Papa, aber wir haben das Gott sei Dank eh noch klären können, weil du es trotz allem hundert Jahre auf dieser schönen grauslichen Welt ausgehalten hast und ich auch irgendwann einmal nachzudenken und mit dir zu reden anfing.)

Mein erster Kuss war ein ostfriesischer, ich war 15, er 18, ging in Emden in dieselbe Klasse wie der Ottifant. Mutti war selig, ich Jungfrau, er Steinbock, treu wie Gold. Und Arzt wollte er auch noch werden. Ein eigener Hausarzt! Der ideale Schwiegersohn. Aber ich fand den Kuss wääähhhh!!!!

© 2019-07-10

Hashtags