Sommerschorle

Eigentlich war es gerade erst Frühling. Ein wunderschöner Märztag, ich saß in der Sonne, trank eine Weinschorle und genoss das prickelnde Aufleben nach dem langen, grauen Berliner Winter. Und diese Wintermonate waren durch die Pandemie besonders lang und bedrückend. Doch jetzt kam mit dem März und dem aufblühenden Grün auch die Hoffnung auf Normalität und Geselligkeit. Die Sonnenstrahlen fielen in mein entspanntes Gesicht, als er plötzlich vor mir stand.

Gross, Sonnenbrille, verschmitztes Lachen. Irgendwoher kannte ich ihn. Eine Party von vor 2 Jahren? Nachbar, Freund von Freunden? Die Einsamkeit der letzten Wochen hat mir wohl mein Gedächtnis verbrannt und Netflix hat mir meine Freunde ersetzt. Er stand vor mir, ich leicht irritiert, er schmunzelte und sagte: Ist hier noch frei?

Ja klar, ewig nicht mehr geflirtet, wurde nervös und versuchte meine Unsicherheit mit Coolness zu überdecken: Wie geht’s? – die Frage geht immer.

Gut, meinte er locker. Und dir? Wohnst du noch im Kiez mit deinem Freund? Welcher Freund fragte mich mein Netflix-Kopf? Hm, ich wohne noch hier, meine Serienfreunde verschwieg ich lieber, während mein Hirn nach letzten Feiern forschte.

Woher kannten wir uns? Er hatte braune Augen und ein warmes Lachen. Sympathisch und selbstsicher wirkte er – welchen Eindruck ich wohl bei ihm hinterliess?

Ich habe die Übung im Small Talk verloren und die Erinnerung offensichtlich auch. Ich startete eine Offensive und ging einfach direkt zum Angriff: Du, woher kennen wir uns noch einmal?

Er lachte: Ich könnte dir jetzt sagen, wir haben uns im Club kennengelernt, sind dann zusammen zu mir getanzt und haben den Rest der Nacht umarmt verbracht – es war wunderschön und du gingst und meldetest dich nicht mehr. Ich seufzte – wie peinlich!

Ich könnte auch sagen, wir trafen uns beim Späti, du Berliner – ich Tannhäusler, dann sind wir einfach geblieben und haben die Nacht durchquatscht.

Welche Geschichte gefällt dir besser? Ich weiß nicht, gestand ich leicht traurig. Wie endet die zweite Story? Sie wird heute geschrieben, sagte er.

Wusste er wirklich, wer ich war oder war es nur ein souveräner Anmachspruch? Ich entsinne mich immer noch nicht, aber ich weiß, dass die Fortsetzung meinen Frühling versüßte und den Sommer einleitete. Den nächsten Berliner Winter verbringe ich mit realen Freunden und Freuden!