Hilda wäre gerne Lehrerin geworden. Doch ihre Eltern brauchten sie in ihrer Bäckerei als Arbeitskraft. Sie war eine ausgezeichnete Schülerin. In ihrem Abschlusszeugnis standen nur sehr gut. Der Lehrer kam sogar zu ihren Eltern und beschwor sie, ihre Tochter doch auf eine höhere Schule gehen zu lassen. Sie weigerten sich. Nur eine einjährige Haushaltsschule durfte sie besuchen. Vorbereitung auf ein zukünftiges Leben als Hausfrau und Mutter.
Während der langen Wartezeit auf einen passenden Ehemann arbeitete sie in der Bäckerei ihrer Eltern, ohne angemeldet zu sein. Sie war also total darauf angewiesen zu heiraten, um sich finanziell zu versorgen.
Die Bewerber kamen ins Haus und hielten bei ihrem Vater um ihre Hand an, wie es damals noch üblich war. Es war auch ein Bäcker dabei, der das Geschäft ihrer Eltern hätte übernehmen können. Das wollte sie nicht. Oder ihre Mutter wollte das nicht. Im Kopf hatte sich die Idee festgesetzt, durch Heirat sozial aufzusteigen. Das beliebte Objekt der Begierde war ein Lehrer. Fand sich allerdings nicht so schnell. Es kamen Landwirte, Fleischhauer, sogar ein Kapitän war dabei. An allen hatte sie etwas auszusetzen wie die Prinzessin im Märchen „König Drosselbart”. Sie wartete auf eine noch bessere Partie. Ein langes Warten begann.
Die Jahre gingen dahin. Die biologische Uhr tickte. Sie war schon 37, als ein neuer Lehrer in das Dorf kam. Er interessierte sich für sie. Er schrieb ihr einen kleinen Brief, ob er sich bei ihr als Heiratskandidat vorstellen könne. Sie schrieb ihm zurück, dass sie daran interessiert sei. Er kam ins Haus und hielt um ihre Hand an. Seine Hände gefielen ihr. Es waren die Hände eines Klavierspielers.
Es ging dann alles sehr schnell. Ein Hochzeitstermin wurde festgelegt. Er wollte erst nach den Ferien heiraten. Sie bestand auf einem Termin vor Ferienbeginn.
Am 2. Juni 1949 wurde dann geheiratet, nur standesamtlich, denn der Lehrer war geschieden, also durfte keine kirchliche Trauung stattfinden. Nach katholischer Lehre war die Ehe unauflöslich. „Bis dass der Tod euch scheidet.“
Hilda war unsicher, ob sie einen geschiedenen Mann heiraten sollte. Sie besuchte zur Aussprache einen Priester. Er riet ihr von einer Eheschließung ab. Es würde wieder nicht gutgehen, nachdem es schon einmal nicht gut gegangen ist, prophezeite er.
Sie heiratete ihn trotzdem. Sie spürte wohl, dass ihre Zeit abzulaufen begann. Ihr sehnlichster Wunsch war ein Kind, das ihrem Leben einen Sinn geben sollte. Der geeignete Partner schien gefunden zu sein.
Die Sache hatte nur einen Haken: Robert wollte keine Kinder mehr. Aus erster Ehe hatte er schon zwei Söhne, für die er zahlen musste und die ihm Sorgen machten.
Hilda war in ihrem Kinderwunsch unerbittlich. So spielte er als Samenspender mit. Nach einer Fehlgeburt und einer Frühgeburt wurde das heiß ersehnte Kind dank einer Hormonbehandlung geboren.
© Ulrike Puckmayr-Pfeifer 2020-10-27