von icey
Sah ich da ernsthaft einen Kaugummi in seinem Mund aufblitzen? Das konnte nicht sein Ernst sein! Erst so frech sein, mich ungefragt küssen zu wollen und dann hatte der Typ noch nicht einmal Manieren. Das ging ja mal gar nicht. In letzter Sekunde drehte ich meinen Kopf zur Seite und wich seinem Kaugummi-Kuss-Versuch aus. “Sorry, nein” rutschte es aus mir heraus. Was bildete er sich eigentlich ein? Er sah mich etwas überrascht an. Dahin war sein Dackelblick. Damit hatte er wohl nicht gerechnet. Dass eine Frau mal nicht seinem spanischen Charme verfallen würde. Tjaaa, da musste er mich wohl zuerst kennenlernen. Sorry not sorry, mein Freund. Aber wenn man mich schon zu einem Kuss verführen wollte, dann auch bitte wie ein Gentelman und kein zwölfjähriger Junge!
Ich ließ ihn auf der Brücke alleine stehen und versuchte die anderen beiden einzuholen. Sie waren bereits einige Schritte vom Auto entfernt. Was den Kuss-Amateur anging, blickte ich nicht einmal zurück. Sollte Er doch in die Spree springen vor Scham. Ich ging zu Lara, um ihr die Geschehnisse kurz zu berichten: “Lara, er hat mich gerade versucht zu küssen!”, sagte ich leicht angewidert. Irgendwie ging es an ihr vorbei. Ich hatte gar nicht mitbekommen, wie viel sie an diesem Abend bereits getrunken hatte. Sie schaute sich um und sah von weitem Beny auf uns zukommen: “Jetzt komm endlich und steig ein, wir wollen tanzen gehen”, schrie sie in seine Richtung. Er lief ganz lässig zum Auto und stieg ein, ohne mich anzusehen. Na toll, dachte ich mir insgeheim. Jetzt war die Stimmung komplett ruiniert. Und Lara würde mir wieder die Schuld geben, was für eine Spaßbremse ich war. Wir fuhren los und die Musik wurde wieder auf volle Lautstärke aufgedreht.
Gerade wo ich mir den Kopf zerbrach, wie ich den Abend noch retten konnte, bekam ich eine Nachricht auf Instagram. Von Beny. Er entschuldigte sich für sein Verhalten und stellte sicher, dass wir auch nur Freunde sein könnten. Ihm wäre nur wichtig, dass ich seine Entschuldigung annehme. Gerne hätte ich persönlich mit ihm geredet, aber man konnte sein eigenes Wort kaum verstehen. Ich antwortete daher nur freundlich zurück, dass ich mich sehr freuen würde, wenn wir befreundet sein könnten. Und dass er in Zukunft besser keinen Kaugummi kaut, wenn er jemanden küssen wollte. Das konnte ich meinen Nachfolgerinnen einfach nicht antun. Es lag praktisch in meiner Pflicht als Frau.
Lara fiel just in dem Moment ein, dass ich gut singen konnte. Also bat sie mich, den nächsten Song auszusuchen und mitzusingen. Wie peinlich konnte es eigentlich noch werden? Ich tat jedoch wie geheißen, um wieder bessere Laune zu bekommen. Man hörte eh mehr Dua Lipa als meine Stimme. In zehn Minuten waren wir auch schon am Alex und parkten unweit unseres Ziels: Der Carambar. Dank Corona eine der wenigen Möglichkeiten zum Tanzen in Berlin. Blödes Verbot! Ich hasste diesen Schuppen. Genau hier sollte sich dann aber das Blatt wenden, mit einem Kuss, der ein Feuerwerk in mir auslöste…
© icey 2022-03-28