Spann deine FlĂĽgel, flieg Ikarus…

Story

“Meiner emotionellen Bastion im klassikgeschädigten Salzburg”, schrieb Wilfried mir 1981 als Widmung auf das Cover der LP “Ganz normal“, als er, begleitet von Manager “Musicman” Lance Lumsden, die pressfrische Platte auf einer Promotion-Tour in Salzburg bewarb. Der Sänger hatte sich gerade wieder einmal neu erfunden und machte … ja was eigentlich? Wilfried, der fast ein Leben lang ohne seinen Nachnamen Scheutz auskam, passte nie in eine Schublade.

Geboren am 24. Juni 1950 in Bad Goisern, trug er Mitte der 1970er Jahre die abgewetzte Lederhose seines Großvaters, kreuzte Rock- und Volksmusik und ebnete so den Erfolgsweg für Hubert von Goisern und Co. Mit seinem frechen „Ziwui, ziwui“ in den Anfängen des Austro-Pop und der subversiven Version des Kufsteinliedes handelte er sich den Titel “Alpenpunk” ein.

Als ich Wilfried 1980 bei einem Auftritt in der Kaiserranch, einer legendären Disco in Niederalm, kennenlernte, war er gerade im Disco-Fieber („Nights in the City“). „Ich finde es zum Weinen, wie wenig flexibel die Leute im Show-Biz sind. Ich jedenfalls leiste mir den Luxus, mich und meinen Stil zu verändern“, meinte er damals. Mir gefiel er selbst noch besser als seine Musik, und so setzte ich alle Hebel in Bewegung, um fĂĽr ihn im darauf folgenden Jahr ein Konzert in der Aula der Universität Salzburg zu organisieren. Die HochschĂĽlerschaftswahlen standen ins Haus. Wilfried sollte das Wahlzuckerl sein. Der Andrang der Student*Innen und deren Lust auf “Highdelbeeren” , so ein Songtitel, hielten sich in Grenzen.

Nach New Wave ließ Wilfried wieder das Rock-Vieh raus. Seine Stimme war wie geschaffen dafür. Aber mich berührten auch zarte Balladen wie „Lauf, Hase, lauf“, “Orange” und „Ikarus“. Nach der erfolglosen Teilnahme beim Eurovision Songcontest 1988 knickte seine Karriere ein. Das Lied „Mona Lisa“ hätte durchaus mehr als 0 Punkte verdient. Aber schon damals war das Voting beim ESC ein Politikum. Die Juroren wollten Österreich, das mitten in der Waldheim-Krise steckte, einen Deckzettel verpassen. Ich litt mit Wilfried vor dem Fernsehschirm.

Doch er erwies sich als Stehaufmann. Die Bezeichnung Männchen wäre bei einer Größe von 1,90 m nicht angebracht. Wilfried gründete die Acapella-Gruppe 4Xang und profilierte sich als Schauspieler. 2012 gab er mit der CD „Wieder da“ ein deutliches musikalisches Lebenszeichen. An Sohn Hanibal, Bassist bei „5/8 in Ehren“, einer Band, die höchst erfolgreich nach Eigendefinition Wiener Soul macht, vererbte er sein Talent. Mit ihm produzierte er die CD „Gut Lack“. Sie sollte seine letzte sein.

Die Nachricht, vor der ich mich lange schon gefürchtet hatte, traf am Morgen des 17. Juli 2017 ein. “Austropop-Legende Wilfried gestorben”, titelte der Standard in seiner Online-Ausgabe. Wilfried, auch im Alter ausgestattet mit Widerborstigkeit und geistvoller Renitenz, wie ihm Journalist Karl Fluch attestierte, hatte am Abend zuvor den langen Kampf gegen den Krebs verloren.

© 2022-07-16

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