von Günter Zimmel
In meinem Kopf haben sich so viele Dinge aus früheren Jahren eingefräßt. Aus meiner Kindheit. Aus meiner Jugend. Und das Meiste würde ich liebend gerne wieder vergessen. Leider geht das aber nicht. Es gibt nur sehr wenig aus meiner Kindheit, an das ich mich gerne zurückerinnere. Dabei sind auch zwei Geschmäcker. Ich habe wirklich Jahre gebraucht, um zu ergründen, was das damals war. Das Erste wurde mir durch einen Zufall wieder bewusst. Der Geschmack, mit dem ich auch heute noch meine Oma verbinde, ist Jägermeister. Und das Zweite sind Specklinsen mit Semmelknödel. Das Lieblingsessen meines Vaters. Zumindest damals. Warum ich auf die Idee gekommen bin, dieses Gericht nachzukochen, weiß ich heute nicht mehr. Aber ich habe es getan und es war gut so. Von klein auf war das auch eine Leidenschaft meiner Tochter. Einmal hat sie mich zwar gefragt, ob das Weiße in dem Essen Zwiebel ist. Ich musste (!!!) damals lügen und habe behauptet, das sei Lauch. Von da ab war alles in Ordnung für sie. Und auch noch heute ist das ein Lieblingsgericht von Chantal. Zu meiner großen Freude darf ich das öfter kochen.
Natürlich nehmen wir für die Zubereitung dieses Essens KEINEN Lauch. Der ist zu geschmacksneutral, das ist viel zu viel Arbeit und Lauch ist auch einfach zu teuer. Aber sagt das bitte bloß nicht meinem Kind! Wir nehmen also 3 mittelgroße Zwiebeln. Die werden geschält und fein würfelig geschnitten. In einem Topf wird Olivenöl erhitzt und die Zwiebel auf E-Herd-Stufe 6 von 9 goldgelb angeröstet. Jetzt der Speck. Natürlich steht es jedem frei, zum Bauern seines Vertrauens zu gehen, dort eine Kante Speck zu kaufen und zu Hause das Vieh in kleine Würfel zu zerteilen. Ich kaufe im Geschäft meiner Wahl 150g fertige Speckwürfel. Die kommen zu den Zwiebeln und werden aber nur ganz kurz mit geröstet. Anschließend übergießen wir das Ganze mit einer 800g-Dose Linsen. Den gesamten Inhalt, also auch die Flüssigkeit. Wir würzen das Ganze mit Pfeffer, Thymian, Majoran Lorbeerblätter und einen ganz winzigen Schuss Essig. Auf keinen Fall darf man das Gericht salzen! Der beigefügte Speck ist salzig genug. Und zur Not kann man zum Ende hin immer noch nachsalzen. Den Herd herunterschalten auf 0,5-1 von 9, zudecken und ca. 40 Minuten dahin köcheln lassen.
Dazu gibt es Semmelknödel. Auf die Zubereitung der Knödel möchte ich bitte nicht mehr eingehen. Die zieht sich durch das Büchlein wie ein roter Faden. Außerdem sollten wir alle bis hier hin Knödelprofis sein. Ich hab nur wegen einer Sache Bedenken: Dass meine Tochter nach dieser Anleitung Specklinsen besser macht als ich und sich deswegen nicht mehr bei mir zum Essen einlädt. Trau Dich das ja nicht!
ACHTUNG: Linsen speichern beim Kochen sehr gut und sehr viel Wärme. Das heißt, dass man sich mit diesem Gericht schnell den Mund und den Rachen verbrennen wird, wenn man ohne Bedacht das Zeug in sich hinein schaufeln würde. Das birgt echte Verletzungsgefahr! Auch, wenn es vom Geschmack her mit Sicherheit dazu verleiten wird …
© Günter Zimmel 2021-07-14