Spinnen die Finnen?

Maria Büchler

von Maria Büchler

Story

Ob Finnen spinnen, kann ich nicht beurteilen, denn ich habe nur einen einzigen kennengelernt. Als ich in einem Luzerner Altersheim als Pflegehilfe arbeitete, war Jussi mein unmittelbar Vorgesetzter. Wir alle haben ihn sehr gemocht. Bei seinem „Pasta!“, wenn er basta meinte, musste ich jedes Mal heimlich schmunzeln.

In Finnland selbst war ich nur einmal und ganz kurz. Als Peter Wachs und ich das erste Mal nach Thailand reisten, musste unser Flugzeug dort zwischenlanden. Für die Übernachtung wurden wir zu einem Hotel gebracht. Von Helsinki selbst habe ich nichts gesehen, abends und morgens war es ja dunkel.

Nachdem einer der Passagiere die Durchsage gehört hatte, die Landung in Helsinki stehe bevor, geriet er in Panik. Er glaubte, er sitze in der falschen Maschine. Er habe doch einen Flug nach Bangkok gebucht! Da er betrunken war, gelang es den Flight Attendents kaum, ihn zu überzeugen, dass er im richtigen Flugzeug sitze. Man kann sich seine Enttäuschung vorstellen, wenn er nicht nach Pattaya gelangt wäre. Hatte er doch schon am Gate lautstark verkündet, was er mit den Thai-Girls vorhatte.

Nachdem wir morgens zurück zum Flughafen gebracht worden waren, konnten wir durch die Fenster zusehen, wie die Tragflächen unserer Maschine mit heißem Wasser vom Eis befreit wurden. Es war Mitte November, und mir wurde ein wenig mulmig. Der Weiterflug verlief aber problemlos. Ein paar mal rüttelte es kräftig, als rumple ein Zug über die Weichen. Diese Vorstellung beruhigte mich.

Während des Wartens stand ich eine Weile in der Nähe der Kassa des Duty Free und hörte, wie lustig die finnischen Zahlwörter klingen: yksi, kaksi, viisi, kuusi, …

Was ich von Finnland besonders mag, sind die Filme der Kaurismäki-Brüder. Ich habe zwar höchstens zehn davon gesehen, aber die haben mich sehr beeindruckt. Vor allem, mit wie viel Empathie das Thema Flüchtlinge und Minderheiten behandelt wird.

Am allermeisten aber liebe ich den Finnen Arto Paasilinna. Nachdem ich seinen Roman „Engel mit ohne Flügel“ gelesen hatte, war ich von ihm verzaubert. Ich grub in allen Bibliotheken nach seinen Büchern und verschlang, was ich finden konnte. Etwa dreiviertel seines Schaffens habe ich intus.

Leider ist er verstorben. Deshalb wollte ich heute bei meinem Buchhändler bestellen, was noch erhältlich ist. Die Romane eignen sich gut zum Verschenken, denn Paasilinna bringt bestimmt nicht nur mich zum Lachen. Außerdem haben viele meiner Bekannten noch nichts von diesem Autor gehört. Leider waren bis auf einen Band alle vergriffen.

Und weil ich Hörbücher mag, habe ich seine Werke natürlich auch akustisch inhaliert, denn das ist ein besonderer Genuss. Jürgen von der Lippe versteht es, in leicht süffisantem Ton zu erzählen, was dem suomischen Herrn an Skurrilität und Aberwitz so alles eingefallen ist. Ich wüsste keinen geeigneteren Sprecher für Paasilinnas Romane als ihn.

Falls also die Finnen spinnen, dann mag ich die Spinner.

Foto: Jaakko Kemppainen / unsplash

© Maria Büchler 2022-01-11