von Dirgis
Meine Spontanität lässt sich vergleichen mit einer Schnecke unter Baldrianeinfluss. Sie kommt fast nicht mehr aus ihrem Häuschen. Und wenn sie es ausnahmsweise mal schafft, dann bekommt sie gleich einen auf die Fühler.
Mähen stand auf dem Plan. Der Rasen unseres kleinen gepachteten SeegrundstĂĽcks war zu kĂĽrzen. Der Tag war perfekt geeignet um handwerkliche Arbeiten zu erledigen, denn der bewölkte Himmel bescherte kĂĽhlere Temperaturen. Mein Mann und ich setzten uns ins Auto und fuhren zum GrundstĂĽck. Das Mähen war schnell erledigt. Mein Mann kennt mich jedoch gut und sagte: „Du willst sicher noch an den Strand!“ Das stimmte haargenau. Also schlenderten wir hin. Ich zog meine Arbeitsschuhe aus und hielt die Zehen ins glasklare Wasser. Herrlich! “Ach, wenn ich doch eine Runde schwimmen könnte!“, sagte ich. Aber ich hatte meine Badesachen nicht dabei. Mein Mann stand auch bereits bis zu den Knöcheln im See. Auch er hatte keine Badehose im Gepäck. Er sah mich an, ich sah ihn an. Spontan liefen wir lachend und schreiend los und schwammen in voller Montur im See. Ein toller SpaĂź. Aber nur bis wir wieder beim Auto waren. Uns war ars..kalt. Also raus aus den nassen Klamotten, bevor die Blase sich um eine VerkĂĽhlung bewirbt. Rein gesundheitstechnisch gesehen, eine vernĂĽnftige Entscheidung, aber rein optisch eine komische Situation: zwei Menschen sitzen nackt im Auto und bieten einen interpretationsfähigen Anblick. Noch dazu fĂĽhrte der Heimweg etliche Kilometer ĂĽber eine stark befahrene StraĂźe. Mannomann, LKW-Fahrer haben einen echt guten Einblick in entgegenkommende Autos. Da gilt es die Arme vor der Brust zu verschränken. Die nasskalte Kleidung wollten wir auf keinen Fall nochmals an unsere Haut lassen. Auf dem SchoĂź hatten wir Putzlappen aus dem Handschuhfach platziert. Und dann diese engen StraĂźen in unserem Dorf, wo MitbĂĽrger in kleinen GrĂĽppchen tratschend beisammen stehen und die Durchfahrt erschweren. Drei davon grĂĽĂźten uns per Handzeichen. Eine barbusige Frau, deren Arme als Sichtschutz fungieren, hat in dieser Situation ein kleines Problem, will sie nicht als unfreundlich gelten. Ich nickte ersatzweise mit dem Kopf und lächelte beim Passieren der Schaulustigen leicht hysterisch aus dem Seitenfenster. Ich konnte mindestens einen erspähen, dessen Lippen ein “Ohhh” formten…
Der anstrengende HĂĽrdenlauf fand in der Garage sein Ende. Vor dem Aussteigen schlossen wir per Fernbedienung die GaragentĂĽr und kletterten erleichtert aus dem Gefährt. Geschafft! Augenblicklich war ein Geräusch am seitlichen Garageneingang zu hören. Unsere Tochter kam gerade aus einer Schulung zurĂĽck und stand bereits im TĂĽrrahmen. Sie sah uns mit weit aufgerissenen Augen an, errötete und rief: “Paaahh, ihr beide seid so peinlich! Treiben es im Auto!“
So verkroch sich meine Spontanität wieder in ihr Versteck und meine Tochter in ihr Zimmer!
© Dirgis 2022-07-23