Sprache ist viel mehr

Anita Zach

von Anita Zach

Story

Worte, schöne Sätze, gute Ausdruckskraft und versierter Umgang mit Formulierungen war mir früher sehr wichtig. Ich ordnete die Menschen in intelligent und weniger intelligent ein. Je nachdem, wie gut sie im Umgang mit der deutschen Sprache waren.

Im Mai 2012 begann ich meinen Dienst als Küchenhilfe im Fastenzentrum Pernegg. Bis dahin hatte ich kaum etwas mit Ausländern zu tun. Als Kind war ich nur von Einheimischen umgeben und das einzig Fremde war das Schulenglisch. Als dann der Eiserne Vorhang zur Tschechei offen war und die Leute von „drüben“ zum Hofer einkaufen kamen, habe ich meine ersten tschechischen Sprachfetzen aufgefangen. „Nur guggen!“, war ihr einziges Deutsch und wir haben uns darüber lustig gemacht.

Im besagtem Mai lernte ich Tschechen, Slowaken, eine ehemalige Serbin und später dann eine Russin kennen. Die Russin sprach sehr gut Deutsch. Sprache bekam eine neue Dimension. Vorallem durch dich. Nach meinem Maßstab war plötzlich ich die Dumme. Ich war nicht im Stande mich dir hinreichend mitzuteilen. Du konntes dich so ziemlich in allen Ostsprachen und auf Spanisch verständlich machen. Da durfte ich mich mit meinem guten Deutsch brausen gehen. Ich war verblüfft, wie leicht es dir gelang, dich mit den wenigen Brocken, die du in meiner Sprache wusstest, mir deine Welt zu erklären. Ich habe nach und nach gelernt, deinen deutschen Wortschatz so zugebrauchen, dass du mich verstanden hast.

Vieles hieß einfach Zacki-Packi und als Einstieg für ganz was Wichtiges hat Madremia für fast alles gepasst. Du hast mir ordentliche Schimpfwörter beigebracht. Das deutsche Scheiße wusstest du schon und wir haben dann zwischen große Scheiße und kleine Scheiße unterschieden. Manchmal hat es bei mir ein bisschen gedauert, bis ich dich verstand: „Diese kleine Scheiße machen Erde oben und ich muss putzen.“ Erst als du mir gezeigt hast, dass du die Maulwurfshügel von der Wiese räumst, habe ich lachend verstanden. Große Scheiße hattest du regelmäßig mit dem Finanzamt, das verstand ich gleich.

„Wo du haben große Stink in Küche?“ habe ich auch schnell kapiert, weil ich kurz davor gemeldet hatte, dass wahrscheinlich eine tote Maus hinter der Spüle liegt, wegen dem unangenehmen Geruch in der Küche. „Liebe Koche-Frauen“, wie ein Präsident, der eine bedeutende Staatsrede hält, bist du vor dem Küchenpersonal gestanden, „sie hier nicht spazieren, minimum 2 Tage!“. Sehr bestimmt hast du uns verboten den Gang im Haus Rosalia zu betreten, damit du in Ruhe deine Malerarbeiten durchführen konntest.

Ich habe mich angepasst. „Komm, ich bin Hilfe für Zacki-Packi mit Finazamt.“ und meine sehr ernst gemeinte Frage über deine Duftvorlieben für ein Parfum: „Diese habe nicht gute Stink für dich?“, hat bei der Weihnachtsfeier alle zum Lachen gebracht.

Durch dich habe ich verstande, dass das Beurteilen von Menschen aufgrund ihres Sprachgebrauches und da zählt auch die Rechtschreibung samt Grammatik dazu, einfach nur überheblich und dumm ist.

© Anita Zach 2020-04-13