von Franz Brunner
Herbstzeit ist Lesezeit. Und fĂŒr einen dem Schreiben verfallenen natĂŒrlich auch Schreibzeit. Ich liebe es, zu recherchieren, mich ĂŒber bisher VernachlĂ€ssigtes oder gar Unbekanntes zu informieren. BĂŒcher, Zeitschriften, Online-Artikel, Wikipedia und Google, nichts ist in dieser Phase vor mir sicher. Nicht, dass ich nichts ĂŒber Sprachen wĂŒsste, ich kann schon ein wenig damit umgehen. Selbst wenn ich es nicht zu ausgereifter Eloquenz brachte, ich bin mit meinem Umgang mit den grundlegenden Kulturtechniken durchaus zufrieden. Kopfrechnen kann ich allerdings nach gesunder EinschĂ€tzung wesentlich besser als Schreiben. Und gerade deswegen interessieren mich derzeit Sprachen â die werden im kommenden Jahr wiederholt Thema meiner Texte und voraussichtlich der FrĂŒhlingslesung sein. Der dabei geplante Dialog zwischen Alt und Jung ist allerdings einem zusĂ€tzlichen Anlass geschuldet. Mein junger, hochtalentierter Schreib- und Lesungspartner scheint gerade zu pubertieren. Nicht weiter schlimm, wir haben diese Phase ja alle irgendwie ĂŒberstanden. Und unsere Eltern auch. Doch dieses Pubertieren hat nach Angaben seiner Mutter â einer Freundin von mir â leider Auswirkungen auf seine bisher vorbildliche Artikulation â und auf seinen Wortschatz. Er anglifiziert neuerdings zu ihrem Missfallen und zu meiner Ăberraschung. Und das hört sich aus seinem Munde gar nicht gut an. Dass er anscheinend seit kurzem eine âCrushâ hat, interpretierte ich zunĂ€chst als Krankheit. Soll oder kann dem Knaben geholfen werden? Wir werden darĂŒber sprechen mĂŒssen. Und schreiben. Und lesen. Vor Publikum. Ja, wir werden. Zuvor heiĂt’s allerdings, ĂŒber das weite Feld der Sprache zu recherchieren. Bereits der Beginn versprach ein amĂŒsantes BetĂ€tigungsfeld. Zu wissen, dass Geborgenheit und Zweisamkeit bei wissenschaftlichen Untersuchungen zu den schönsten Wörtern der deutschen Sprache gekĂŒrt wurden hilft mir im Alltag sicher weniger als zwei Zahlen, egal wie groĂ oder klein sie sind, mit 5 % Genauigkeit im Kopf multiplizieren zu können. Und die Information, dass die estnische Sprache 14 grammatische FĂ€lle und das slowakische Alphabet 40 Buchstaben kennt, ist sicher weniger alltagsrelevant als aus jeder beliebigen Zahl im Kopf die Quadratwurzel ziehen zu können. Wieder auf 5 % Genauigkeit, versteht sich. Gerade, weil ich mit Zahlen recht gut kann, ziehtâs mich derzeit zu Sprachen hin, googelte ich zunĂ€chst nach MerkwĂŒrdigem und Unterhaltsamen dazu. Mit der Folge, dass ich gestern eine Stunde lang einen tschechischen Zungenbrecher ĂŒbte, was kaum weniger verrĂŒckt ist als ohne eigentlichen Bedarf mit Zahlen zu jonglieren.
âStrÄ prst skrz krk.â Sie suchen vergeblich danach, in diesem höchst informativen Satz ist kein einziger Vokal zu finden, angeblich soll er trotzdem korrekt aussprechbar sein. Zugegeben, man wird in Tschechien oder der Slowakei mit âSteck den Finger durch den Halsâ nicht weit kommen und garantiert belĂ€chelt werden, aber es ist eine echte Herausforderung. âStrÄ prst skrz krk.â Diesen Salat aussprechen zu mĂŒssen, ist eine Strafe. Doch zurĂŒck zu meinem pubertierenden Lesepartner und seiner neuen Sprache. NatĂŒrlich weiĂ ich, dass Sprache sich entwickelt. Und ich weiĂ auch, dass das völlig normal ist. Kein Mensch wĂŒrde an der Wursttheke richtig bedient, wenn er sagt: âSo schneide sie mir ein Zoll ihrer besten Sorte, so wie sieâs mit ihren zarten Fingern zuwege bringt.â Also tut Ănderung der Sprache not, auf das wir zumindest erfolgreich einkaufen können.
© Franz Brunner 2024-10-03