Sprech.Blasen.Platzen

Stell dir vor, du fährst mit der U-Bahn und glotzt ausnahmsweise nicht auf dein Smartphone sondern auf dein Gegenüber – weil du auf dessen Stirn die heimlichsten Gedanken in digitaler Laufschrift eingeblendet siehst. Der ganze Hirnsalat jeder einzelnen Person: kosmisch gehackt.

Zur Neon-Laufschrift poppen zusätzlich auch noch unübersehbare Sprechblasen auf und ich lese:

Frau) „Was für ein Idiot, gestern beim Date! Warum hab ich ihn nicht zahlen lassen für seinen egozentrischen Monolog?“

Mädchen) „So eine Tussi, mit ihren lächerlichen Tattoos? You and me forever * 14. 2. 2020 ! Schön blöd, wenn er 2022 abhaut!“

Frau 30+) „Oh Mann, der riecht aber sexy. Obwohl, der Look? Voll spießig. Buchhalter, Banker, Unternehmensberater?“

Junger Mann) „Muß sich die so breit machen? Sollte lieber mal abnehmen und zu Fuß um die Häuser ziehn!“

Junge Frau 20+) „Warum antwortet er nicht? Ich muss ihn wiedersehen, sonst sterbe ich! Jetzt! Sofort!“

Frau 40+) „Was für ein Scheiß-Job, den sie mir da anhängen! Werbezettel für Fast-Food-Ketten verteilen! Was für eine Schande! Da können sie mich ja gleich an den Öko-Pranger stellen!“

Banker) „Ich freu mich schon auf heute Mittag. Scharfe Suppe. Heiße Kollegin. Perfekt.“

Dame) „Das wird wieder ein Spießrutenlauf! Dauerlächeln bis zum Erbrechen! Bussi-Orgien! Und mein Gatte wie immer penetrant jovial! Ich könnte ihn umbringen!“

Student) „Das nächste Mal nur mehr per pedes oder mit Rad! Ich brauch Abstand!“

Punk) „Schleicht’s euch und gafft’s net so deppert, sonst frisier ich euch auf 1.90 !“

Touristin) „Igitt, was für ein gräßliches Parfüm! Ich krieg Kopfweh!“

Frau 50+) „Hallo, sieht mich jemand? Was gäbe ich für einen einzigen Blick!“

ICH) „Wenn die nicht bald aufhört zu telefonieren, knall ich ihr eine!“ usw.

Das Dumme ist, dass bei diesem Szenario alle gegenseitig ihre Gedanken lesen könnten. „Und wenn’s blöd hergeht, ist SIE schneller als ich.“

Vom gläsernen Menschen zum transparenten Gedankengang? Wer weiß, wie bald das zu einer realen Wahrheit werden kann? Und dann …?

… wär’s hilfreich, einen leeren Kopf zu haben.