Mein Vater führte den Brigadier, sowie den Begleitoffizier bis auf die Spitze des Pasubio, der knapp über 2200 Meter hoch liegt. Dort lagerten die Feldwachen.
„Wie ich aus den Gesprächen der Offiziere entnehmen konnte, sollte dieser Gipfel gesprengt werden, man stünde kurz vor dem Ziel. Da man wusste, dass auch die Italiener bohren würden, wollte man ihnen zuvorkommen. Am frühen Nachmittag traten wir den Heimweg an und gingen wieder über Spino zurück. Dort stand auch das Brigadier-Auto. Ich verabschiedete mich stramm, der Brigadier gab mir die Hand, was einer außerordentlichen Belobigung gleichkam und fuhr ab.
12 Tage danach kam unser Oberleutnant aus Rovereto herauf. Er wollte auf den Cosmagnon gehen, wobei ihn vier Leute begleiten sollten. Der Leutnant, 2 Kameraden und ich wurden nun vom Oberleutnant eingeweiht, dass der Pasubio am nächsten Tag gesprengt werden sollte. Wir waren um 3 Uhr früh losmarschiert und langten um 6 Uhr am Ziel an. Nachdem wir uns in Stellung gelegt hatten, beobachteten wir den Pasubio. Plötzlich wurde es über der oberen Platte des Berges dunkel. Dann folgte ein höllischer Krach und die Erde begann zu beben. Wir waren zirka einen Kilometer von diesem Schauspiel entfernt und sahen riesige Felsbrocken wie Spielbälle durch die Luft fliegen.
Nachdem die Sprengung vorbei war, sahen wir durch die Feldstecher, wie unsere Soldaten stürmten. Bevor sie jedoch die Hälfte des Berges erklommen hatten, krachte es von Neuem. Die italienischen Sprengsätze, die unterhalb der unseren gelagert waren, explodierten ebenfalls. Entweder durch Selbstentzündung, oder Zündung, das wussten wir nicht. Es war ein furchtbarer Anblick, wie unsere Kameraden durch die herabstürzenden Felsmassen begraben wurden. Zugleich beschoss unsere Artillerie die Hinterseite des Berges, um dessen Besetzung durch die Italiener zu verhindern. Ich werde diese schrecklichen Stunden mein ganzes Leben lang nie vergessen. Zu oft kommt mir dieses Grauen wieder in Erinnerung!
Den Italienern gelang die Einnahme des Gipfels trotzdem, allerdings mit schwersten Verlusten. Wie wir später erfuhren, fielen von 800 Italienern 400 Mann, 300 wurden verwundet. Der Nebengipfel des Berges war ebenfalls in feindlicher Hand. Wir mussten ihn jedoch um jeden Preis zurückerobern. Zu diesem Zweck rückte ein preußisches Sturmbataillon an. Einige der Soldaten kannten wir aus Rovereto, wo sie sich etabliert hatten. Das waren vielleicht Maulhelden! Sie würden es uns Österreichern schon zeigen, wie man einen Gipfel stürmt! Mund und Augen würden wir aufreißen! Sie stürmten tatsächlich wie die Teufel los, waren jedoch nach 2 Stunden wieder zurück. Es wäre zu viel Schnee und sie kämen nicht durch, hieß es.
Rasch war eine Sturmkompanie der Bosniaken da. Sie waren am Monte Desto in Reserve gelegen. Jeder von ihnen erhielt einen halben Liter Rum und nach zwei Stunden gehörte die Kuppe uns! Diesmal rissen die Preußen Mund und Augen auf.“
© Helmut Wigelbeyer 2024-12-10