(Sprich)wörtlich: klingt doch gut

Florian Altmann

von Florian Altmann

Story

Die Pummerin im Wiener Stephansdom war eine pummelige Glocke. Nicht nur mit seinem beträchtlichen Volumen weltweit ganz vorne mitmischend, war dieses Instrument auch ein besonders schweres. Nach einem Unglück im 20. Jahrhundert, in dem die Pummerin einen Brand erlebt hatte, war sie abgestürzt. Sie war in tausend Teile am Asphalt des Stephansplatzes zerschellt. Auch wenn die Glocke mit aller Kraft versucht hatte, sich festzuhalten, war sie gefallen und schreiend durch die Luft gesegelt. Aber Scherben brachten eben Glück, und die Pummerin wurde wiederbelebt. Nun am Nordturm des Domes hängend, genoss die neugeborene Glocke eine noch atemberaubendere Aussicht. Völlig abgelenkt von dem Panorama, vergaß sie ihre Pflichten. Auch Magerine, der sehr schlanke, weibliche Klöppel, der im Inneren der Pummerin für den richtigen Ton sorgte, schwächelte. Sie hing lieber ab, als kräftig den Glockenklang einzuläuten. Dem Dompfarrer waren Traditionen wichtig und ihm missfiel, dass seine einst zuverlässige klangvolle Gefährtin nun zu den feierlichen Anlässen blaumachte. Ein klägliches Bimmeln ertönte lediglich, das höchstens bis zur Pestsäule hörbar war. Früher waren dem Pfarrer die Klänge seiner Pummerin Musik in den Ohren gewesen, heute klangen die Töne schief wie eine verstimmte Gitarre. In ähnlicher Gefühlslage erklomm der Pfarrer die vielen Stufen des Nordturms, wo die Pummerin mit ihrer Magerine abhing. Barsch befahl er, die melodischen Klänge müssten sofort zurückkehren. Die Glocke wandte sich nur sang- und klanglos ab und der Klöppel schlug wild umher, wie im Fliegen zu verscheuchen. Keinen Ausweg mehr sehend, gab der Pfarrer bei einem Glockengießer einen neuen Klöppel in Auftrag, der hart und wulstig geformt sein sollte. Genau zu Jahreswechsel, bei dem diesmal sogar das leiseste Klingeln seitens der Pummerin ausblieb, war der Schlagkörper fertiggestellt. Hämisch riss der Pfarrer seiner Pummerin die Magerine aus. Unter qualvollen Schreien trennte sich der ersetzte Klöppel von der wohligen Grube im oberen Innenraum der Glocke. Auch diese kreischte verzweifelt, doch die wilden Abwehrversuche scheiterten und schon hing an der Pummerin ein anderer Klöppel – wo Magerine doch so sehr an ihr gehangen hatte. Das neue Gewicht war ein grobes, eigenwilliges Ding und schwang auf eine unbändige Weise. Seither dröhnte ein ohrenbetäubendes Läuten durch die Straßen Wiens, das noch in den äußersten Randbezirken zu vernehmen war. Der Pfarrer war zufrieden über die Auswechslung, doch einige Leute nahmen ihm die Veränderung übel. Mal davon abgesehen, dass in der Innenstadt jedem Menschen die Ohren dröhnten, hätte ein solcher Austausch mit einer Volksabstimmung abgeklärt werden müssen. Es wirkte so, als hätte der Pfarrer mit dem neuen Klöppel angeben und sofort alle Welt darüber informieren wollen. Viele Personen schimpften darüber:

„Der musste das sofort an die große Glocke hängen.“

© Florian Altmann 2022-08-25

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