Stammi bene!

Sonja M. Winkler

von Sonja M. Winkler

Story

Wie das Leben so spielt. März 2016 erhalte ich einen Tipp vom Lokalbesitzer meines Lieblingsgriechen. Er ist gebürtiger Ägypter, spricht auch Italienisch, weil er auf dem Weg nach Österreich in Italien ein Lokal geführt hat. Ein gewisser Luca aus Kalabrien, der in Wien Human Resources als Zweitstudium absolviert, habe bei ihm gespeist und seine Telefonnummer hinterlassen. Er würde lezioni private geben, preislich günstig. Ich notiere die Nummer.

Ich war mit Freunden beim Griechen. Auch Anna hatte aufgehorcht. Sie habe ebenfalls Interesse an Konversationsstunden, sagte sie. Ich ließ zwei Wochen verstreichen. Dann schickte ich Luca ein SMS. Die Antwort kam prompt. Wir fixierten un incontro. Die Wahl des Treffpunktes überließ er mir. Decidi tu, schrieb er. Gut, Hietzinger Eingang zum Park Schönbrunn.

Es war ein herrlicher Frühlingstag. Sonnenschein. Da ich etwas nervös war und wie meist zu früh dran, ging ich zwischen Park-Eingang und U-Bahn-Station immer hin und her, Ausschau haltend nach meinem Italiener. Die Zeiger der Uhr schienen stillzustehen.

Da kam mir eine Horde von Menschen entgegen, Kinderwagen und Rollstuhl, alles Spaziergänger, die sich jetzt um die Mittagszeit in Richtung Eingang schoben. Sie drängten mich an den Rand des Trottoirs. Ich ahnte, unter all diesen Menschen muss sich mein Italiener befinden. Keine Idee, wie er aussieht, ich wusste nur, dass er vom Alter her mein Sohn sein könnte. Da fiel mein Blick auf einen interessant aussehenden Mann um die dreißig. Zirka eins achtzig, schlank. Dunkles, gewelltes Haar, schön geschnittenes Gesicht, ein sensibler Zug um den Mund. Seine Augen konnte ich nicht sehen, was mich kurz irritierte. Er trug eine Sonnenbrille.

Er sieht auf sein Smartphone, klappt es zu, steckt es in die Tasche seines Blousons. Ich mische mich unter die Fußgänger und lasse mich in Richtung Eingang schieben. Ich warte unendlich lange Augenblicke, bis sich die Menge aufgelöst hat. Da sehe ich, wie er beim Schmiedeeisentor Halt macht und die Sonnenbrille abnimmt. Ich gehe auf ihn zu. Ciao, Sonja, sagt er. Sein gewinnendes Lächeln nimmt mich sofort ein.

Luca war ein Haupttreffer, die Begegnungen mit ihm indimenticabili, unvergesslich. Ich hielt schriftlich fest, worüber wir sprachen, notierte Vokabel. Festhalten, weil alles im Leben flüchtig ist.

Eineinhalb Jahre lang trafen wir uns. Erschlossen einander. Ich weiß heute noch, welche Wörter ich beim ersten Treffen lernte: aiuole di fiori, Blumenbeete, non calpestare l’erba, den Rasen nicht betreten, disinibito, unbefangen.

Nach den Spaziergängen mit mir traf er meine Freundin Anna im Café Eiles. Er, der uns streng getrennt hielt, ist bis heute ahnungslos, dass wir befreundet sind.

Seit Dezember 2018 lebt Luca in Toronto. Vor kurzem erst erreichte mich ein Mail. Er habe um die kanadische Staatsbürgerschaft angesucht. Wie das Leben so spielt. Er hat eine Spur hinterlassen. Stammi bene, Luca!

© Sonja M. Winkler 2020-06-04

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