von Bernhard Fellner
Als ich letztens an meiner Modellautosammlung vorbeischlenderte, fiel mein Blick auf einen besonderen Rennwagen. Ganz in rot mit leicht barocken Formen – immerhin kam er im Jahr 1965 zum Einsatz. Damals bin ich 12 Jahre alt gewesen. Es war der FERRARI 250 LM. Das Kürzel LM steht für Le Mans, wo jedes Jahr Mitte Juni das berühmteste Langstreckenrennen der Welt ausgetragen wird. Es findet auch heute noch auf einem Rundkurs im Süden der Stadt Le Mans über normale Landstraßen statt.
Der Bewerb im Jahr 1965 war geprägt durch einen Wettkampf zwischen FORD und FERRARI. FORD war mit einer ganzen Armada hochmotorisierter GT 40-Boliden angereist und befand sich in der Stellung des Favoriten. Aber auch die FERRARI-Werkteams waren stark und bestens ausgerüstet. Neben den Werkteams gab es wie immer auch zahlreiche Privatrennställe und Privatfahrer. Der Ferrari mit der Nummer 21 ging für das North American Racing Team an den Start. Die Fahrer waren ein amerikanischer Routinier und ein junger Deutscher mit österreichischer Rennlizenz.
Der 250 LM war keineswegs untermotorisiert, lag aber doch in der Leistung hinter den bulligen Werksfahrzeugen zurück. Wie es das Schicksal oder Glück so wollte, fielen die „dicken Brummer“ reihenweise aus. In der Nacht dieses 24 Stunden-Rennens startete der junge Österreicher eine fulminante und – auch dem eigenen Fahrzeug gegenüber – gnadenlose Aufholjagd. Sein amerikanischer Partner rettete den Sieg ins Ziel. Auf der Auslaufstrecke brach das Getriebe.
Mit diesem Erfolg gelang Jochen Rindt der Durchbruch. Er war damals 23 Jahre alt. Rindt löste eine Welle der Motorsportbegeisterung in Österreich aus. Auch ich ließ mich von diesem Phänomen anstecken. Die im gleichen Jahr erstmals im ehemaligen Messepalast veranstaltete JOCHEN RINDT- SHOW habe ich mir gleich drei mal angeschaut.
In der Formel II wurde Rindt zum ungekrönten König und gewann insgesamt 29 Rennen. Beim Einstieg in die Formel I ließ der Erfolg zunächst auf sich warten. Erst die Aufnahme in das GOLD LEAF Team Lotus des genialen, aber extrem risikofreudigen Konstrukteurs Colin Chapman brachte Rindt auf die Siegerstraße. Gebannt verfolgte ich die Karriere des jungen Steirers. Er gewann im Jahr 1970 fünf Grand Prixs. Bewusst war ihm aber, wie gefährlich die „Ritte“ auf dem legendären LOTUS 72 waren – von dem ich auch ein schönes rot-goldenes Modell besitze.
Im September des heurigen Jahres jährt sich zum fünfzigsten Mal der finale Grand Prix von Monza. Rindt stand unter Druck, er musste im letzten Training fünf Sekunden auf die Ferraris aufholen. Aus Angst vor einem Feuerunfall befestigte er den Sicherheitsgurt nicht vollständig. Auslöser der Katastrophe war ein fataler Materialbruch:
In der fünften Runde brach vor der sogenannten PARABOLICA-Kurve die rechte vordere Bremswelle. Ich war siebzehn Jahre alt und konnte gar nicht glauben, dass mein Idol tot war. Dem Wrack fehlte der komplette vordere Teil. Es trug die Startnummer 22.
© Bernhard Fellner 2020-04-17