Staub liegt in der Luft

Gerda Modera

von Gerda Modera

Story
Urfahr Umgebung 2024

Die Natur und ich erwachen heute gemeinsam. Einige schlangenähnliche Bewegungen erleichtern es mir, meine Schlafhaut abzustreifen und die noch warme Bettdecke zurückzuschlagen.

Meine ersten Schritte führen mich in den Garten. Giersch, überall Giersch. Dieser elende Wucherer. Heuer hat er sich sogar schon gegen die Maiglöckchen durchgesetzt. Doch ich weiß mich zu wehren. Ich esse und trinke ihn nun jeden Tag. Bis ich ihn satthabe.

Während ich so weiter rupfe, frage ich mich was ich noch alles satthabe. Zum Beispiel die neuerlichen Eskalationen im Nahen Osten. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Wie der beleuchtete Globus, den ich gestern in einem Lokal in einer Ecke entdeckt habe. Er war sehr schäbig und seine Nahtstellen waren aufgeplatzt. Und trotzdem hat er durch sein warmes Leuchten einen tröstenden Eindruck auf mich hinterlassen.

Nach ein paar Schüttel- und Dehnübungen setze ich mich zum Computer. Statt Ingwertee schlürfe ich nun Gierschtee und statt meiner Trost-Wärmeflasche am Bauch wird frische Morgenluft tief in den Bauchraum eingesaugt. Inzwischen taucht meine kleine Welt da draußen in dieses geheimnisvolle bläuliche Licht ein. In die „blaue Stunde“, die eigentlich nur ein paar Minuten dauert. Die Zeit zwischen der Dämmerung bis zum Sonnenauf- bzw. -untergang, die ich so sehr liebe.

Übergänge machen müde. Extreme auch. Von eiskalt auf sehr warm. Von Daune auf Sommerkleid. Wo bleibt das Dazwischen? Kein Wunder, dass mein Körper mitsamt dem Kreislauf der Natur hinterherhinken. Die verstopfte Nase und die tränenden Augen kommen gar nicht mehr nach, um den Farben-Duftrausch zu verarbeiten. Denn Apfelblüten, Maiglöckchen und Pfingstrosen haben sich zu einer Duftkomposition vereint und sich mit Tonnen von Saharastaub und gelbem Blütenstaub vermählt. Eine gute Kombination auf den Gartenmöbeln und den Fenstern. Dann zahlt sich das Putzen wenigstens aus.

Aber vorher werde ich IHN noch ausführen, egal wie heiß es heute werden wird. Meinen neuen cognacfarbenen Staubmantel. Den Trenchcoat. Und während ich den Gürtel lässig um die Taille knote ohne die Knöpfe zu schließen, den Kragen aufstelle, die Ärmel hochkremple (ich weiß ja wie man ihn trägt), fallen sie mir ein, die berühmten TrenchcoatträgerInnen: Peter Falk, Derrick, Humphrey Bogart, Audrey Hepburn und Meryl Streep in: „Der Teufel trägt Prada“.

Und ich werde sie heute in der Stadt finden und abstauben. Die passenden Schuhe zu meinem neuen Trench. Im Sonderangebot. Fast geschenkt.




© Gerda Modera 2024-04-20

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Hoffnungsvoll, Informativ
Hashtags