Das Urlaubsziel Yucatan wurde durch die Tauchleidenschaft meines Mannes gewählt. Voll bepackt mit Tauchausrüstung und Koffern fand ich mich wieder am Flughafen von Cancun. Die weitere Anreise führte vorbei an Hotelkomplexen, die so gar nicht meiner Vorstellung entsprachen. Unsere kleine Tauchergruppe bezog eine kleine Pension am Ende des touristischen Wahnsinns.
Bereits beim Abendessen gab es Diskussionen, dass hier nicht das erwartete Tauchparadies wäre und in weiterer Folge, sind dann alle ausser uns in ein anderes Hotel gewechselt. Mein Mann konnte damit leben, hier im karibischen Meer zu tauchen und ich wollte ohnedies in die Mayakultur eintauchen. Kleine Erkundungstouren in die anliegenden Dörfer und auch in die Stadt waren eine schöne Abwechslung zu Sonne, Meer und Tauchen.
Nach ein paar Tagen, bot sich ein Ausflug nach Chichen Itza an. Die Fahrt mit dem kleinen Bus war schon abenteuerlich, aber der Empfang des Reiseführers übertraf alles. „Grüß Sie, schön Landsleute aus Europa zu treffen.“ Mit grosser Freude erzählte uns der junge Herr, dass er in Wien Geschichte und Archäologie studiert hat. Dieser fundierte Reiseführer übertraf alle Erwartungen. Wir erfuhren viele Details zu der Geschichte der Kultstätte und den Mayas. Wir konnten auch in die hintersten Winkel der Bauteile Einblick nehmen. Am Juego de pelota, dem grössten Ballspielplatz in Chichen Itza, erklärte er uns, dass die Mayas keineswegs blutrünstige Spiele durchführten. Wir sollten nur an die römischen Gladiatorenspiele denken, die seiner Meinung nach viel grausamer waren. Auch die Menschenopfer für den Regengott Chac, sollten wir nicht verurteilen, da wir uns ja nicht in die damalige Zeit und Situation hinein versetzen können.
Nach gut einem halben Tag und mit tausendjährigem Wissen aus Maya Sicht verliess uns der treue Geselle, jedoch nicht ohne die Empfehlung das Castello zu besteigen und Kukulcan in seinem Tempel die Ehre zu erweisen.
Einem Gebirgsmenschen wie mich können doch keine läppischen 91 Stufen, wenn auch in sengender Hitze, aufhalten, wenn eine Aussicht über das ganze Maya Land lockt. Voll Abenteuerlust ging´s hinauf zum Tempel. Etwas ausser Atem angekommen, eröffnete sich eine traumhafte Kulisse über den Dschungel. Nach ausgiebiger Besichtigung und Huldigung des Schlangengottes stand der Abstieg an. Ich setzte meinen Fuss auf die erste Steinstufe und stellte fest, dass nicht einmal der halbe Fuss dort Platz fand. Aus irgendeinem Grund erfasste mich jetzt leichte Panik. Hinsetzen und so den Abstieg zu bewältigen war nicht möglich. Wir lösten die Situation, indem mir mein Mann die Hand gab und ich die Füsse quer zur Stufe stellte und so in ca. 1 Stunde, immer mit Blick nach oben, die 91 Stufen hinunter schaffte, bis ich wieder auf Mayaboden stand. Froh darüber, dass ich hier heil davon gekommen bin, habe ich einen handgewebten Teppich des Regengottes Chac als Devotionalie mitgenommen.
© Heidemarie Leitner 2019-04-11