von Pretulia
Unser Nachbar am Land in der Steiermark hat eine aus Lehm selbstgebaute Feuerstelle. Jedes Jahr im Sommer kommen drei Nachbarfamilien zusammen und es werden verschiedene Köstlichkeiten darauf gekocht. Es gab schon Gulasch, Braunschweiger, Kukuruz, Steckerl-Brot, Eierspeis.
Diesmal hieß das Motto Sterz!
Nicht nur, dass es mir allein beim Wort Sterz alles zusammenzieht, nein es soll auch der Sterz meiner Kindheit sein: Erdäpfelsterz! Die anderen Nachbarn stimmen ebenfalls begeistert zu und ich bin überstimmt. Und dazu, saure Milchsuppe!
Der Zuagroaste erklärt dann mir, schon länger jungem Steirermadl, zuerst musst an Löffel voll Sterz nehmen und diesen dann in die Milchsuppe tauchen und beides gemeinsam dann in den Mund. Ge hoits zoam, i bin a Diarn aus da steiamoak, mia brauchst ned sogn wia ma an Steaz isst.
Meine Gedanken wandern zurück als ich Kind war. Mein Vater arbeitete im Böhlerwerk. Meine Mutter war für die Aufzucht mehrerer Kinder und Nestpflege zuständig. Geld war knapp.
Wenn ich jetzt zurückdenke, habe ich das Gefühl, es gab dauernd Sterz. Vater arbeitete im Schichtbetrieb. Am Ende der 6e zwa Schicht ertönte eine Sirene. Dann wurde meine Mutter hektisch. Jessas, zwa burts. Wos soll i koachn? Ah i moch an Steaz.
Da mein Vater ihn gerne aß, gabs Sterz in allen Varianten. Als Polenta, mal mit Zucker drüber, mal mit Grammeln. Heidensterz, Bohnensterz und der besonders beliebte und von mir richtiggehend gehasste, vaheirate Sterz. Woher dieser Name kommt, weiß ich nicht. Vielleicht weil hier Erdäpfel und Mehl eins werden, sich miteinander verbinden, um es dann gemeinsam im heißen Bett zu treiben und dabei viele viele kleine Kinderlein zu machen.
Unkundige sagen dazu auch ErdäpfelSterz. Gekochte Erdäpfel werden passiert, mit Mehl vermischt und dann im heißen Öl oder Schmalz gebraten, bis alles krümmelig wird. Dazu Milchsuppe, auch nicht gerade meine Lieblingsspeise. Aber der Sterz! Ich sehe mich vor dem Teller sitzen und dicke Tränen regnen auf die frisch Vermählten. Wenn ich wenigstens ein Butterbrot stattdessen bekommen hätte. Oder einfach nix, aber nein jetzt wird gegessen!!
Diese Sterzerlebnisse im Gedächtnis kam ich zur Sterzparty.
Was soll ich sagen, er schmeckte fast wie seinerzeit. Der verheirate Sterz und ich, wir werden keine Freunde mehr in diesem Leben. Dass Geschmack und Erinnerung durch ein paar Enzian und einige Achterl Schilcher eliminiert werden mussten, kann man sich vorstellen.
Oba deas is a oandare Gschicht.
© Pretulia 2020-07-28