von Jürgen Heimlich
Ohne „Stille Nacht“ ist für mich Weihnachten nicht vorstellbar. Dieses weltberühmte Weihnachtslied, getextet 1816 vom Hilfspfarrer Josef Mohr, und komponiert zwei Jahre später vom Organisten Franz Xaver Gruber, verzaubert mich Jahr für Jahr aufs Neue.
Von Kindheit an verbinde ich Weihnachten mit „Stille Nacht“. Mit der Familie vor dem Weihnachtsbaum zu stehen und die erste Strophe des von Oberndorf in Salzburg aus die ganze Welt erobernde Weihnachtsliedes anzustimmen, bereitet mir große Freude. Dass es um die Geburt des Erlösers geht, welche die Christenheit an Weihnachten feiert, war mir allerdings lange Zeit nicht bewusst.
Durch „Stille Nacht“ ist die ganze Christenheit miteinander verbunden. Aus der Stille heraus tönt ein Lied, das Hoffnung gibt. Hoffnung darauf, dass wir Menschen, egal wie auch immer es uns geht und sich unser Leben gestaltet, von Gott geliebt und der Erlösung wert sind. Jeder Mensch kann sich von diesem Lied angesprochen fühlen, wenn er es zulässt.
Ein Besuch des „Stille Nacht“ – Museums in Hallein war für mich ein besonderes Erlebnis. Dort ist auch die Gitarre ausgestellt, die Josef Mohr bei der allerersten Darbietung des Weihnachtsliedes gemeinsam mit Franz Xaver Gruber am 24. Dezember 1818 gespielt haben soll.
200 Jahre später waren meine Lebensgefährtin und ich in der Christmette in der Kirche Maria Grün im Prater. 2018 waren also genau 200 Jahre nach der Uraufführung von „Stille Nacht“ vergangen. Ein besonderer Tag und umso mehr eine besondere Nacht. Pater Clemens erzählte von „Stille Nacht“ und den Hintergründen. Und auch davon, dass normalerweise in der Christmette nur drei Strophen gesungen werden. In dieser Nacht aber sollten wir uns als Gemeinde der Originalmelodie annähern und alle sechs Strophen singen. Zu wissen, dass genau 200 Jahre vorher zum ersten Mal dieses einzigartige Weihnachtslied in der römisch-katholischen Kirche St. Nikola in Oberndorf dargeboten worden war, erfüllte mein Herz mit Demut.
Und dann war es soweit: Am 24. Dezember 2018 sangen wir alle in Maria Grün inbrünstig sämtliche sechs Strophen von „Stille Nacht“. Es war ein erhebendes, unvergessliches Gefühl. Ich fühlte mich 200 Jahre zurück versetzt. Dieses gemeinsame Singen eines Weihnachtsliedes, das so viel Hoffnung in die ganze Welt hinaus trägt, war das schönste Geschenk, das ich je an Weihnachten erhalten hatte. Teil einer Gemeinschaft zu sein, die den 200. Geburtstag von „Stille Nacht“ feierlich begeht.
Seit Weihnachten 2018 hat sich mein Bezug zu „Stille Nacht“ noch einmal intensiviert. „Stille Nacht“ repräsentiert auf wunderbare Weise die Botschaft von Weihnachten. Es geht um das Wunder des Lebens und wie es gelingen kann, dass aus einem kleinen Menschen ein ganz großer Mensch wird, der die Welt im Rahmen seiner Möglichkeiten ein Stückchen schöner machen kann. Es ist freilich unmöglich, in Jesu Fußstapfen zu treten, aber wir können es wie Gott machen und Menschen werden.
© Jürgen Heimlich 2021-12-08