von Johann Geitner
Demnach war sie wohl deren Tochter, also nicht unwahrscheinlich, dass sie gleichfalls einen heilkundigen Beruf ansteuert.
„Das ist Yngve.“, stellte mich Marion der Schönen vor.
Schon witterte ich Morgenluft.
„Ich heiße Annabelle.“
„Belle, die Schöne, wie passend, verzeihen sie, spontan nicht auch Ihren Namen erraten zu haben.“, schmeichelte ich mich ein.
„Ich werde Dich ficken, in nicht weniger als zwei Wochen.“, sinnierte ich insgeheim.
In vielen Jahren hatten sich unzählige Gelegenheiten ergeben, die Menschen zu studieren. Ich erkannte es in der Art, wie sie sich bewegte, wie sie ihre Worte modulierte. Unter ihrem Parfum konnte ich den Duft ihres geschmeidigen Körpers riechen. Ihr Hormonspiegel verriet mir, dass sie derzeit wieder alleinstehend war und Ausschau hielt nach einem veritablen Kandidaten. Unschwer erkannte ich, dass sie sich für höhere Weihen berufen fühlte. Ihr Plan B war, sich einen monetär potenten Partner zu angeln, um nicht alleine abhängig von ihren eigenen Leistungen sein zu müssen.
Das war ihr Schwachpunkt, mit dem ich sie knacken konnte. Nobles Restaurant, ein Musical, vielleicht ein Besuch im Museum moderner Künste, damit kriege ich sie weich. Gemäß meiner Erkenntnisse hatten die Semesterferien gerade begonnen. Ich beschloss, im Verlauf des sich anbahnenden Gesprächs einen Ausflug für die nächsten Tage vorzuschlagen. Ein kleiner Spaziergang in grüner
Kulisse, anschließend ins Cafe, abends ins Restaurant. Dazu werde ich den schweren Boliden aus dem Hangar holen. 450PS aus 12 Zylindern werden ihre Muschi ruckzuck zum Vibrieren bringen. Der moralische Beobachter möchte mich schelten, mein Ansinnen sei höchst frevelhaft. Ich hatte schon zu viele derlei Damen erleben dürfen. Endlos lassen sie sich darüber aus, wie wichtig doch ein ehrenhafter Charakter sei. Doch kaum gingen den Ehrenmännern Besitztümer und Ansehen abhanden, schon speiten sie sie aus wie verschlissene Waschlappen.
„Es ist äußerst ehrbar, sich für das Wohl anderer Menschen einzusetzen, das ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Mediziner leisten einen enorm wichtigen Dienst an der Gesellschaft. Was man so liest und hört, fehlt es in der medizinischen Versorgung leider an vielen Ecken .“, diagnostizierte ich.
„Wahrscheinlich liegt es mir in den Genen.“, bestätigte Annabelle.
„Sind ihre Eltern also auch Ärzte?“, spielte ich den Unwissenden.
„Ja. Von daher kenne ich es von klein auf. Schon als kleines Mädchen träumte ich davon, Ärztin zu sein.“
„In welche Fachrichtung soll’s denn später mal gehen?“
„Bin noch unsicher, vielleicht die Orthopädie, dann könnte ich die Praxis meiner Mutter übernehmen, die Unfallchirurgie interessiert mich auch.“
„Das ist sicher sehr spannend, täglich neue Überraschungen.“
„Was machen Sie denn?“, erkundigte sie sich pflichtbewusst.
„Einen guten Eindruck, so hoffe ich.“
„Sicher. Aber wie steht’s außerhalb Ihrer Freizeit?“
„Ach, nicht so wild. Mal dies, mal das. Aber im Wesentlichen vermehre ich mein Vermögen. Sie wissen ja, Geld findet immer den Weg zu seinesgleichen.“, machte ich auf dicke Hose, nicht zu Unrecht.
© Johann Geitner 2025-04-18