von Tobias Hoffmann
Semstwo mochte Honig nicht. Der schmeckte ihm nicht. Der war ihm zu süß und viel zu blumig. Und süße Dinge mochte Semstwo nicht. Kategorisch. Und blumige Dinge mochte Semstwo nicht. Kategorisch. Vor allem jedoch war Honig ihm viel zu klebrig. Und klebrige Dinge mochte Semstwo nicht. Kategorisch. Am allerwenigsten. Wenn seine Finger klebrig waren, waren seine Finger nicht mehr gut. Dann waren sie fies! Und Semstwo mochte nur gute Finger. Keine fiesen! Semstwo mochte auch Frittiertes nicht. Egal ob Pommes Frites oder Chicken Nuggets. Frittiertes mochte Semstwo nicht. Das war ihm zu ungesund und zu würzig. Und ungesunde Dinge mochte Semstwo nicht. Kategorisch. Und würzige Dinge mochte Semstwo nicht. Kategorisch. Doch wie beim Honig, störte es Semstwo am meisten, dass Frittiertes klebrig war, furchtbar fettig. Und klebrige und furchtbar fettige Dinge mochte Semstwo am allerwenigsten. Semstwo hatte schon oft gesehen, wie die Menschen draußen Frittiertes gegessen hatten. In den Fußgängerzonen. Mit ihren Fingern. Und die waren dann klebrig und fettig, furchtbar fettig gewesen, und als alles gegessen war, hatten die Menschen ihre klebrigen und furchtbar fettigen Finger an ihren Hosenbeinen abgewischt! Dann hatte Semstwo sich übergeben müssen. Doch Semstwo mochte Erbrochenes nicht! Das war eklig und das war blöd! Und eklige Dinge mochte Semstwo nicht! Kategorisch! Und blöde Dinge mochte Semstwo nicht! Kategorisch! Und Erbrochenes stank und war klebrig! Erbrochenes mochte Semstwo noch viel weniger als Honig und Frittiertes! Da wusste Semstwo, was zu tun war, es gab nur eine Lösung: Er duschte sich in Honig. Von Kopf bis Fuß. Und der Honig klebte an seiner Haut. Von Kopf bis Fuß. Alle Finger waren fies! Von rechts nach links. Und Semstwo, lachend und jubelnd, rannte durch die Wälder und die Wiesen, Blumenwiesen, und der Honig an seinem Körper zog viele Bienen, Wespen und andere Insekten an, die Semstwo stachen, ihn bissen und sich in ihm einnisteten. Von Kopf bis Fuß. Sein Körper wurde zu einer einzigen, großen, klebrigen Blessur. Zu einer voll belegten Brutstätte. Und Semstwo füllte eine tiefe Wanne mit viel Öl, furchtbar fettigem Öl, Frittieröl, wie er es auf den Hosenbeinen der Menschen gesehen hatte, erhitzte es bis zum Siedepunkt und nahm ein langes Bad darin. Das heiße Fett verbrühte das, wovon die Bienen, die Wespen und die anderen Insekten bei ihrem Unternehmen abgelassen hatten, und das war nicht viel. Doch Semstwo stieg als neuer Mensch aus der Wanne. Die Wanne kühlte langsam ab. Als völlig neuer Mensch…
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Gibt es neue Menschen?
© Tobias Hoffmann 2022-09-08