von Klaus Schedler
“Leesmij” ist eine tolle Idee: Auf dieser Autorenplattform kann jeder gemeinsam mit anderen Freizeitautoren Kurzgeschichten ins Internet stellen und so veröffentlichen. Mehr noch: Hat man so eine hinreichende Menge an Texten beisammen, gibt’s eine bedienungsfreundliche und konkurrenzlos kostengünstige Möglichkeit, alles als Buch herauszugeben, das dann überall im Buchhandel erhältlich ist.
Das hörte sich schon mal gut an, denn – ehrlich gesagt – als Freizeitautor strapaziert man Familienangehörige und Freunde bis an die Grenze der Belastbarkeit, wenn man wöchentlich mit zwei bis drei Storys daherkommt und um eine kritische Rückmeldung bittet. Da bietet sich ein virtuelles Internet-Publikum bestehend aus Gleichgesinnten zwanglos als belastbarere Alternative an.
„War sowas aber seriös überhaupt möglich?“ Freilich stellte auch ich mir die Frage, doch dann ergaben meine Nachforschungen, dass es sich bei Hauptbetreibern um ausgewiesene Kenner der Medienlandschaft handelte. Da war Henning Grusten, der schon seit Jahren erfolgreich einen Buchverlag betreibt sowie Mads Skoven, der sich bereits als Geschäftsführer eines privaten Fernsehkanals einen Namen gemacht hatte. Also erschien es mir jedenfalls einen Versuch wert.
Bald hatte ich meine ersten Geschichten geliefert und weil die Rückmeldungen der Leser recht ermutigend waren, machte ich weiter. Zu meinem Erstaunen rührte sich dann aber plötzlich Mads bei mir und bat um eine Korrektur. In der Sache hatte er zweifelsohne Recht, doch war ich verwundert, dass er sich offenbar selbst die einlangenden Storys durchliest, ja mich sogar einmal persönlich bei der Auswahl eine Titelbildes beriet und manches mehr. Und auch Henning reagierte von Zeit zu Zeit auf meine Geschichten mit einem Like. Wie schaffen die beiden das nur, so viele Eingänge zu bedienen?
Langsam keimte in mir der Verdacht, dass hinter der Plattform „Leesmij“ eine riesige Artificial Intelligence Maschine steht, die sich mithilfe eines Expertenstabs laufend verbessert und bis zur Drucklegung der Bücher alles weitgehend automatisiert erledigt. In meinem Gedankenexperiment kommunizierte ich ebenso wie die anderen Autoren also gar nicht mit realen Menschen, sondern mit Androiden, die weitaus besser unsere mit der schriftstellerischen Tätigkeit verbundenen Erwartungen und Sehnsüchte befeuern können, als es je ein Mensch gekonnt hätte. Da war er: Der Kern einer Verschwörungstheorie.
In meiner nächsten Mitteilung an Mads Skoven, schrieb ich ihm von dieser „fixen Idee“ worauf er nicht nur versicherte, kein Computer zu sein, sondern auch darauf verwies, dass wir uns bald zum ersten „Lagerfeuer“ bei der Maria im Waldviertel treffen werden. Dort traf ich dann nicht nur ihn, sondern Henning Grusten war auch dabei.
Das war im Juli 2019 und dies hier könnte jetzt vielleicht schon meine 400ste Geschichte sein. Ferner hab ich drei Bücher publiziert und drei weitere sind im Kern fertig.
© Klaus Schedler 2021-07-05