von Frederik Dressel
Im Radio läuft Sonokos „Une histoire du plage“, und ich fühle mich in am Mittelmeer verbrachte Sommerurlaube zurückversetzt. Muss an weiße Plastikstühle auf heißem Sand denken, und an Orangina aus der Dose, und kann mich des Gefühls nicht erwehren, dass da eine Geschichte drinsteckt.
Ich höre die Schreie spielender Kinder, das Rauschen der Wellen, und rieche das Meer. Jenen einzigartigen Geruch nach Salz und Freiheit, nach Seetang, Fisch und irgendwo immer auch ein bisschen nach Verwesung. Sehe im Sepiaton der Erinnerung schöne junge Menschen an mir vorüberlaufen, ihre sonnengebräunte Haut. Zwei junge Frauen kommen anmutig auf mich zugelaufen, an mir vorbei, lassen den Geruch von Sonnencreme zurück und sich an einem Tisch in meinem Rücken nieder. Ich höre das Klicken der Feuerzeuge, als sie sich ihre Zigaretten anzünden, denn natürlich rauchen sie, wie es gefühlt jeder hier tut, in diesem Land, das sich die Lust am Laster, am Genuss, noch nicht hat wegrationalisieren lassen.
Ihr Lachen ist pure Lebensfreude, und ich starre missmutig auf den Tabakerhitzer auf dem Tisch vor mir, der das Rauchen zwar 95 % weniger gesundheitsschädlich macht, zumindest laut Hersteller, mir gleichzeitig aber die Möglichkeit nimmt, mich zu den beiden Schönen umzudrehen, sie – die Zigarette schon lässig im Mundwinkel – nach Feuer zu fragen. Und mich im Zuge des Gesprächs, das sich unweigerlich entwickeln würde, ganz natürlich zu ihnen an den Tisch zu setzen. So aber kann ich nur an meinem Pastis nippen, jenem getränkgewordenen Frankreichurlaub, in dem die Eiswürfel bereits ganz geschmolzen sind, und sie verstohlen in der Spiegelung meiner Sonnenbrille beobachten.
Von der Strandbar wehen die Fetzen eines Popsongs herüber, begleitet vom Lachen der Barkeeper und ihrer Gäste. Das Leben, es ist so viel leichter, wenn man es am Strand verbringt, wenn man am Strand wohnt, wie all diese schönen Menschen mit ihrer Bräune, für die ein Urlaub nicht ausreicht, und nicht wie ich bloß für eine Woche hier ist, in der der Sonnenbrand vom ersten Tag nicht einmal richtig braun wird.
Aber das Wetter ist zu gut für missmutige Gedanken, und ich beschließe, mir noch einen Pastis zu holen. Schenke den beiden Frauen auf meinem Weg zur Bar ein Lächeln und spiele mit dem Gedanken, sie auf dem Rückweg anzusprechen, als mich das Hupen meines Hintermanns in eine Wirklichkeit zurückholt, in der die Ampel im Regen vor mir wahrscheinlich schon länger grün ist.
Und mich daran erinnert, dass da längst schon zwei junge Männer bei ihnen sitzen, in das Gespräch vertieft, das anzufangen ich mich nicht getraut habe.
© Frederik Dressel 2023-08-17