Strategie 9: Erheitere dein Gemüt beim Sport

Manuela Nimmervoll

von Manuela Nimmervoll

Story

Im Fitnesscenter – dem heiligen Tempel der körperlichen Ertüchtigung und Selbstdarstellung – angekommen, und um ein paar philosophische Weisheiten reicher, ziehe ich mein Sportgewand an und stelle mich dann zum Aufwärmen auf den Crosstrainer. Nun beginnt der lustige Part – und ich meine damit nicht den Sport, sondern das wunderbare Schauspiel, das man im Fitnesscenter stets aufs Neue geboten bekommt. Nirgendwo sonst kann man so viele Menschen, auf engstem Raum, dabei beobachten, wie sie verzweifelt versuchen, ihre Körper zu perfektionieren und zugleich die verrücktesten Posen einnehmen. Eine einzige Fitnesskomödie. Bei alledem kann man die unterschiedlichsten Charaktere unserer Gesellschaft in ihrer ganzen Pracht und Herrlichkeit auskundschaften. In der einen Ecke sammeln sich zum Beispiel die Hantelhelden und Muskelprotze, die sich, mit einem einzigen Blick in den Spiegel, selbst mehr Bewunderung schenken, als jeder kulturellen Errungenschaft der Menschheitsgeschichte. Sie stemmen Gewichte, als forderten sie die Schwerkraft zu einem Duell heraus. Daneben sind die Laufbandtiger zu finden, die mit ernster Miene und konzentriertem Blick durch die virtuellen Landschaften ziehen, als würden sie sich in einem Wettlauf gegen die Zeit befinden. Eine weitere Laufbandspezies sind die Alpengämsen, die die fiktiven Gebirge des Fitnesscenters mit der Geschwindigkeit einer gemütlichen Bergziege erobern. Dabei könnten sie genauso gut die Rolltreppe im Einkaufzentrum nehmen. Dann gibt es auch noch die Yoga-Legenden. Wahre Götter der Flexibilität, die sich mit der Anmut einer Schlange dehnen, während die Hantelhelden daneben, schwer atmend, ihre Gewichte stemmen. Wer braucht schon Bizeps, wenn man seine Fußknöchel am Hinterkopf ablegen kann? Und nicht zu vergessen die Fitness-Gurus, die jeden um sich herum mit ihren Weisheiten und Ratschlägen über gesunde Ernährung und das perfekte Bauchmuskeltraining belehren. Weil Sixpacks ja definitiv die Antwort auf alle lebenswichtigen Fragen sind. Doch mein persönliches Highlight stellen zweifellos die Selfie-Artisten dar. Sie posieren vor ihren Smartphones, als hinge das Schicksal der Welt von ihrem nächsten Foto ab. Oft gepaart mit einer Fashion-Show der Sportmode. Von hautengen Leggings bis hin zu bauchfreien Tanktops – nichts verkündet lauter „Ich bin in Form!“, als ein Outfit, das so eng ist, dass kaum noch Raum zum Atmen bleibt. Natürlich gleich dazu bereit, mit den neu aufgenommenen Bildern, die sozialen Medien zu erobern – die Kunst der Selbstinszenierung. Mit jedem Klick beweisen sie der Welt, dass sie den Schrein des Körpers betreten haben, um an ihrer Fitness zu arbeiten – selbst wenn die Jagd nach dem perfekten Foto mehr Zeit beansprucht, als das eigentliche Training. Die moderne Workout-Routine – den ganzen Tag lang das Handy halten und Selfies machen, um die Handmuskeln zu stärken. Plötzlich werden meine Gedanken von einer altbekannten Stimme durchbrochen. Ich schaue neben mich und entdecke Kurt – ein Pensionist fortgeschrittenen Alters, auch bekannt als „der Meister des Schwätzchens“. Er betritt das Fitnessstudio stets mit der Mission, für mindestens zwei Stunden lang mit jedem Trainierenden über alle möglichen Themen zu plaudern – von seinem gestrigen Mittagessen bis hin zu abstrusen politischen Verschwörungstheorien, die mir bereits des Öfteren ein Grinsen abverlangt haben. Ich bin schon gespannt, mit welchen Anekdoten er mein Gemüt dieses Mal erheitern wird.

© Manuela Nimmervoll 2023-08-21

Genres
Humor& Satire