Studium und Berufsstart

Annemarie Baumgarten

von Annemarie Baumgarten

Story
1979 – 1990

Mein GENEX-Golf, das Geschenk unserer Verwandten aus Castrop-Rauxel zu meinem 18. Geburtstag, parkte wie immer auf dem Campus. Mir war es mal wieder nicht gut. Ein befreundeter Student bot mir an, mich mit dem Golf nach Hause zu fahren. Er wollte einfach mal das Fahrgefühl eines Westautos erleben. Sein Trabi könne auch bis morgen stehen bleiben. Als ich auch am nächsten Tag noch nicht wieder fit war, kamen bei Lothar die Befürchtungen. Er brauchte mich immer, da ihm das Lernen nicht so leicht fiel. Er hat später versucht, mir seine abgelegte Freundin aufs Auge zu drücken, die möglicherweise auch noch schwanger war. Ich war zwar jünger, aber nicht blöd.

Ich habe mit knapp 23 Jahren im Kinderheim in der Lorfeostraße angefangen. Ab dem zweiten Studienjahr hatte ich zusätzlich noch Psychologie belegt. Das letzte Jahr in diesem Fach beendete ich im Fernstudium.

Max/imilian Walther, mein Chef im Kinderheim, stammte aus Pappenheim in Thüringen. Auch von ihm kann also gesagt werden, dass er seine Pappenheimer kennt. Für das Studium war er, gut 17 Jahre älter als ich und oft behauptend, er könne fast mein Vater sein, nach Berlin gekommen und danach diesem Heim zuwiesen worden. Obwohl von uns niemand in der Partei war, waren erst Cornelius Diersch, dann Max Heimleiter. Ich war seit dem Renteneintritt von Cornelius stellvertretender Leiter und übernahm die sogenannte Heimleiterwohnung im Obergeschoss. Dadurch entfiel für mich das Berufspendeln durch die ganze Stadt. Max erhob keinen Anspruch auf die Wohnung. Er hat im Nachbargrundstück ein Häuschen und zwei Garagen. Eine davon durfte ich nutzen.

Irgendwann, nachdem ich zu studieren angefangen hatte, hat Papa Theo aus dem Geschäft geworfen. Ich erfuhr erst viel später davon. Es war ein Gerücht aufgekommen.

Theo war einige Zeit stellvertretender Direktor an unserer Schule gewesen. Zum ersten Schuljahr nach der politischen Wende trat er nicht mehr an. 65 wurde er erst Ende September 1990. Damals gingen ganz viele in den vorzeitigen Ruhestand. Er ersparte sich das, was vielen Kollegen blühte – Vorladungen und Rauswurf wegen Systemnähe (Direktoren, Lehrer für Staatsbürgerkunde; Unterrichtstag in der Produktion, was auf keiner Stundentafel mehr erschien). Eva Barth starb schon bald nach der Wende.

Währungsunion: Bekanntlich durften Personen, die noch keine 60 waren, recht wenig Ostgeld in die harte Mark umtauschen. Doris und ich haben uns je einen Mercedes in Westberlin gekauft. Unsere Wohnungen und die Geschäftsräume wurden renoviert und neue, hochwertige Möbel angeschafft. Sobald es möglich war, habe ich mich auch privat krankenversichert. Ich bin stiller Teilhaber im Geschäft meiner Schwester. Wir sind inzwischen Millionäre. Ralf hat noch einen älteren Bruder in Potsdam mit einem kleineren Bekleidungsgeschäft. Für beide zusammen hätte der Umsatz wohl nicht gereicht. Doris und Ralf haben sich beim Studium getroffen. Es ist eine Vernunftehe.

© Annemarie Baumgarten 2024-11-21

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Herausfordernd, Informativ