Stühle

Julia Kaim

von Julia Kaim

Story
2020 – 2023


„Kann ich mir ein paar Stühle für meine Party ausleihen?“ Theoretisch ja. Praktisch ist das etwas komplizierter. Die Klappstühle, die ich mal besessen habe, sind der Flut zum Opfer gefallen und die American-Diner-Stühle sind mehr oder weniger auf dem Dachboden zum Regal umfunktioniert, sauschwer und zu sperrig zum Transportieren. „Mach doch eine Mitbring-Party, jeder bringt seinen eigenen Stuhl mit!“ Wenn dafür gesorgt ist, dann sitzt höchstwahrscheinlich auch niemand zwischen den Stühlen. Obwohl die Wahl des perfekten Sitzmöbels sich mitunter ja recht problematisch zu gestalten scheint. Es gibt sie mit gepolsterter Sitzfläche, oder Rückenlehne oder ohne Polsterung, mit Armlehne, ohne Armlehne, den Klappstuhl, den Faltstuhl, den Schaukelstuhl, den Liegestuhl (wobei das jetzt irgendwie, wenn ich länger darüber nachdenke, ziemlicher Unfug ist,) den Rollstuhl, den Kinderstuhl, den Hochstuhl und den Kniestuhl, den Zahnarztstuhl oder den Königsthron. Der normale Stuhl an sich besteht aus vier Stuhlbeinen, der Sitzfläche und der Rückenlehne. Hierbei spielt die Materialqualität eine ganz erhebliche Rolle für die Auswirkung des Sitzkomforts. Deutsche Normen für Stuhl-Design und Sicherheit sorgen bei Büro-Stühlen, Stühlen als Möbel und Stühlen für den Wohnbereich für das korrekte Sitzen. Die eigentliche Entwicklung des Stuhls mit vier Beinen, Sitzfläche und Rückenlehne begann vor 5000Jahren und dieser war lange Zeit nur einer elitären Minderheit zugänglich. Der Rest musste halt stehen … Vielleicht gibt es die Redewendung „Zwischen zwei Stühlen sitzen“ und auch „Zwischen den Stühlen stehen“ deshalb mit derselben Bedeutung: Sich im Interessenkonflikt befinden/sich zwischen mehreren Möglichkeiten entscheiden müssen. Man kann auch sagen, dass man „zwischen allen Stühlen sitzt“… Das ist dann wie im Kindergarten. Dort haben die Kinder auf Stühlen im Kreis gesessen und ein Kind musste in der Mitte hocken und war der arme schwarze Kater. Der arme schwarze Kater… Na, das passt ja! Der zwischen den Stühlen Kriechende hat die Arschkarte und dient der Belustigung. Im Englischen lautet das Sprichwort „To fall between the cracks“, also zwischen die Risse fallen. Da finde ich die Vorstellung von einem Hintern, der sich neben einen Stuhl setzt, weitaus weniger dramatisch. Man sollte ohnehin mit der Gelassenheit eines Stuhls durchs Leben gehen. Der kommt auch mit jedem Arsch zurecht. Also möchte ich nicht mehr Arsch sein, sondern mehr Stuhl. Am liebsten Liegestuhl… oder Schaukelstuhl. Schaukeln ist auch super, aber bringt einen, genau wie zwischen den Stühlen zu sitzen, nicht wirklich weiter. Sitzen ist das neue Rauchen. Auf der Schaukel zu sitzen und zu rauchen ist also das Übelste überhaupt!

Der Schlafzimmerstuhl ist das Sinnbild für besagte Redewendung: Zu dreckig für den Schrank, zu sauber für die Wäsche-also landen die Klamotten auf dem Stuhl. Man weiß nicht so recht wohin. Wenn man seinen eigenen Stuhl mit zur Party bringt, weiß man wo man hingehört, man kann sich damit auch direkt vor das Buffet setzen und die Reise nach Jerusalem ist definitiv der Rausschmeißer und beendet jedes Vergnügen. Mir gefällt die Idee immer besser! Aber anstatt mir morgen bei der Party meine Hängematte vor dem Buffet aufzuhängen, muss ich leider Torte mitbringen.

© Julia Kaim 2024-09-25

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Reflektierend