Sturm am Meer

Cemeteryofmemories

von Cemeteryofmemories

Story

Wie ein Geist laufe ich am Strand entlang, in der Hoffnung auch nur ein klitzekleines Stück von dem zu finden, was mich einst so glücklich machte. Der Wind tobt und die Wellen peitschen. Meine Füße tragen mich Schritt für Schritt durch den Sand, wie als wäre ich auf Autopilot und hätte jegliche Kontrolle über mich verloren. Ich spüre nichtmal mehr die Sandkörner, die bei jedem Schritt zwischen meine Zehen gleiten. Es ist als wäre mein Körper eine einzige leere Hülle ohne jegliches Gefühl. Jeder Atemzug wird vom Wind aufgesogen und der Herzschlag wird vom Meer übertönt. Selbst die absolute Schönheit der Natur verschlingt mich in ihre dunkelsten Ecken. Dabei war das gar nicht mein Ziel, schließlich wollte ich mich nicht noch mehr in diesem Strudel verlieren. Anfangs probierte ich einfach weiter zu schwimmen, aber jedes Mal, wenn ich dachte ich, könnte wieder stehen, verschlang es mich nur noch mehr. Ich habe das Gefühl, als würde ich ertrinken. Ertrinken an dem Gefühl nichts zu fühlen. Ertrinken an der Hoffnungslosigkeit. Daran ertrinken, nicht mehr ich selbst zu sein, obwohl es alles ist, wonach ich mich sehne. Diese Sehnsucht ist mein Strudel und ich ertrinke von Tag zu Tag immer mehr und mehr. Aus letzter Kraft trägt mich mein Körper an den Strand, weil das der Ort ist, an dem ich immer ich selbst sein konnte. Es war der Ort, der mich immer am Leben hielt. Jede Emotion, die ich je verspürte, wurde vom Meer aufgesaugt und kam in einer wohlig warmen Umarmung zu mir zurück. Das Meer ist mein Happy Place. Hierher führt es mich, wann immer ich etwas fühlen muss, egal ob positiv oder negativ. Aber wie kann es dann sein, dass ich noch immer nichts verspüre? Bin ich einfach nur zu müde oder ist doch schon so viel Leben aus mir entflossen, dass es nichts anderes mehr gibt als eine Hülle? Nicht einmal das kann ich beantworten. Was gibt mir mein Leben zurück, wenn nichtmal ich selbst es schaffe? Ein Kampf so groß, dass alles in mir schreit. Ein Schrei so laut, dass es mich zerreißt. Ein Schrei so laut, dass es meine Seele wie ein Glas zerspringen lässt. Und trotzdem hört keiner das Klirren, wenn ein weiteres Stück meiner Seele zerspringt und der Scherbenhaufen in mir immer größer wird. Ist der Sturm so laut, dass es keiner hört? Oder hat einfach jeder Angst sich an den Scherben zu schneiden? Oder aber bin ich es, die so schnell rennt, dass sie von keinem eingeholt werden kann? Fragen über Fragen und trotzdem nicht eine einzige Antwort. Wer weiß, vielleicht ertrinke ich, vielleicht aber auch nicht. Vielleicht findet mich jemand und gibt mir ein Gefühl. Und vielleicht finde ich einfach meine Gefühle in den Überresten des tobenden Sturms, in einer angespülten Muschel. Keiner weiß wie lange der Sturm noch dauern wird oder wie lange ich noch laufen kann, nichtmal ich. Also laufe ich weiter den Strand entlang, der Sturm noch immer am toben, in der Hoffnung ein Stück von mir und meinen Gefühlen wiederzufinden.

© Cemeteryofmemories 2024-07-03

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Dunkel, Emotional