von Silvia Peiker
Wenn Buchstaben purzeln und Ideen Purzelbäume schlagen, bin ich wie eine Wasserwaage im Lot. Wenn ich dank Inspiration und Gedankenkapriolen aus meinem geistigen Fundus schöpfen darf, ist das Glas halbvoll, mein Lebensfluss in der Balance.
Ganz anders bei Flaute mitten im bewegten Wortmeer! Da eiere ich unrund gleich einem durchlöcherten Fahrradreifen durch die Buchstabensuppe der anderen kreativen Köpfe, bleibe gerade wegen meines Patschens zwischen den 26 Lettern des Alphabets auf der Strecke liegen wie ein plattgefahrenes Reptil, das sich doch nur durch fremde Wortkombinationen schlängeln wollte. Zweifel ob mangelhafter Begabung hemmen dann meinen Gedankenerguss, stauen mögliche Geistesblitze hinter einem massiven, meterhohen Wehr, wodurch kein Tröpfchen meines Einfallsreichtums entwischen kann.
Kein ungestümer Poseidon, der frischen Wind schickt, um meine Segel wieder aufzublähen, stattdessen nur Sirenen mit ihrem verführerischen Gesang, der jedoch nur zum schicksalsträchtigen Untergang führen kann. Muss ich mir wie Odysseus die Ohren mit Wachs verstopfen, mich an den Mast binden, nur um die Schönheit der Wörter, die Harmonie der Satzmelodie wieder erkennen zu können?
Das Vakuum in meinem Denkraum breitet sich scheinbar endlos aus, denn auch Zeit ist ein dehnbarer Begriff, bei der ich nicht wie beim sportlichen Zerren am Terraband an die Grenzen stoße. Was bedeutet Denksport für mich? Etwa nur Kreuzworträtsel lösen, oder doch an neuen Stories dröseln? Als würde ich altbackene Semmeln wiederkäuen, formt sich ein undefinierbarer Gedankenbrei, der mir bei genauer Begutachtung lediglich ein verächtliches Schulterzucken entlockt.
Nicht für gut genug befunden, zu wenig Esprit, fehlende Struktur, mangelhafte Elaboration. Verstaubte Ladenhüter werden selten zu Eyecatchern hochstilisiert, schaffen es meist nicht ins Auge des Hurrikans, damit sie, nachdem sie ordentlich durchgewirbelt wurden, wie Phönix aus der Asche steigen. Reflektierendes Licht am Horizont lässt mich Buchstaben wie schillernde Schuppen, die von meinen Pupillen rieseln, aneinanderreihen. Heureka! Die Lösung ist zum Greifen nahe, wohl aufgrund mangels Hybris im Dunkel verloren. Ich selbst bin es, die mir den Weg zur Schreiblaune versperrt, schiebe meinem normalerweise regen Gedankenstrom einen festen Riegel vor. Habe ich etwa zu viel Wirbel ob meines geistigen Nirwanas geschlagen, anstatt mit Muskelanspannung frei nach Jacobsen mein fragiles Innerstes zu besänftigen, um mein wortloses Selbstwertgefühl zu stärken?
Nun ist Freischwimmen in der Hitze des Gedankenstaus vonnöten. Ich tauche unter der Welle der Petrifikation durch, hole tief Luft und fühle, wie sich die Fallgrube unter meinen Füßen wieder schließt. Meine Finger ergreifen den verwaisten Stift, der übers Papier saust, um im Wettstreit mit den aufkeimenden Bildern im Kopf Schritt zu halten.
Eigenes Foto: In den großen Sturm hinein v. Hans Weigand
© Silvia Peiker 2022-08-08