Stuzy hat einen Schwips!

Hedwig Kromer

von Hedwig Kromer

Story
Falkenstein bei Poysdorf

Alljährlich reifen auf einer unserer Weiden köstlich saftige Birnen heran. Der Baum trägt zwar große aber wenig Früchte. Da wir genug anderes Obst haben sammle ich sie nicht ein. Das freut unsere beiden Pferde Ljúfur und Stuzy sehr. Wenn ich sie auf der Weide auslasse, streben sie sofort in Richtung Birnbaum und schauen nach, ob etwas zum Naschen da wäre.

Eines Sommers denk‘ ich mir: „Komisch, es liegen Früchte herunten doch die Pferde haben sie verschmäht. Wie kann so etwas sein?“ Auch am nächsten und übernächsten Tag liegen die Leckerbissen unbeachtet auf dem Boden. Aber dann ist es soweit!

Abends starte ich los, um die Pferde abzuholen. Schreck lass nach! Stuzy steht mit entrücktem Blick da. Seinen Kopf hebt und senkt er in flottem Wechsel, so als würde er ständig Ja sagen. Seine Unterlippe hängt ganz locker herunter und schlabbert im Takt mit. Überrascht stelle ich die Diagnose: Stuzy hat einen Schwips! Das muss man sich vorstellen: Er hat auf die süßen reifen Birnen verzichtet und gewartet, bis sie einen speziellen Genuss bieten können!!

Ganz tiefenentspannt geht er mit nach Hause. Zum Glück hat er vier Beine, das ist für sein Gleichgewicht von Vorteil. Selten habe ich so über ihn gelacht! Bis heute ist mir die Frage rätselhaft, warum Ljúfur die Früchte verschmäht hat. Er nascht doch genauso gerne. Hat er gewusst, dass sein Gefährte etwas Besonderes im Sinn hat? Hat Stuzy ihm sein Vorhaben gesagt? Oder die Birnen verteidigt? Ljúfur hat sich keinen Schwips eingehandelt. Ist er der Vorsichtigere von beiden? Wie dem auch sei, ich bin dankbar, dass keiner von beiden je eine Kolik wegen eines Überangebotes an Obst hatte. Darmkrämpfe sind für Pferde sehr gefährlich und brauchen umgehend medizinische Behandlung.

Ljúferl ist einmal an einer Kolik erkrankt, weil er Erbsen gefressen hatte. Das war nur meine Schuld gewesen. Unser Nachbar hintaus ist ein fabelhafter Biobauer der auch prämierte Bioweine keltert. Gelegentlich überließ er uns einen Sack Ausputz. Das ist der Rest, der beim Reinigen des Getreides und anderer Feldfrüchte anfällt. Unsere Hühner sollten sich die genießbaren Stückchen herauspicken. Diesmal vereinbarten wir, dass er den Sack in den Schnupfen stellen sollte, nur vergaß ich darauf. Prompt bediente sich Ljufur an den Erbsenstückchen. War das ein Schrecken, wie ich mit meiner Schwester in den Stall betraten! Das Pferd lag flach auf der Seite und reagierte nicht auf unser Kommen. Er stand zwar brav auf, doch kaum hatten wir ihm den Rücken zugedreht legte er sich wieder ins Stroh. Also lief ich schnellstens zum Telefon, um den Tierarzt anzurufen. Bis zu seinem Eintreffen gingen wir mit dem Patienten langsam auf und ab. Die krampflösende Spritze wirkte gut. Zwei Tage war Ljúfur auf Heudiät, dann durfte er wieder auf die Weide. Für den glimpflichen Verlauf waren wir seinem Schutzengel und dem Tierarzt sehr dankbar.

Stuzys Schwips „verdunstet“ über Nacht. Auch dafür sind wir dankbar!




© Hedwig Kromer 2025-02-26

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Romane & Erzählungen
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Komisch, Informativ
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