von Hannah-Maylou
âGeh Hannah, magst du dir nicht einfach einen g’scheiten Job suchen?â lautet die Frage, die ich in den letzten 5 Jahren wohl am öftesten gehört habe. Zu viele Menschen halten meinen Job nach wie vor fĂŒr einen Grippevirus. Aber mittlerweile versteht sogar meine Oma, was ich als Influencerin so mache. Na gut, zumindest die Bezeichnung kennt sie und auf die Frage, was ihre Enkelin denn tĂ€te, antwortet sie meist mit âirgendwas mit Internetâ.
Ich muss gestehen, meine Job-Bezeichnung war mir selbst lange unangenehm und ich antwortete auf die schwierige Frage nach meinem Beruf meist mit: âIch arbeite in der Medienbranche und erstelle Werbecontent fĂŒr Firmen.â Ist ja eigentlich sehr zutreffend.
Trotzdem war der Hauptgrund dafĂŒr, dass das Wort âInfluencerâ einen unangenehmen Beigeschmack hat. Der Job ist noch so neu, dass niemand so richtig weiĂ, was wir eigentlich machen. Viele GerĂŒchte kursieren und die meisten halten uns fĂŒr verwöhnte Faulpelze, die gelegentlich ein Selfie hochladen und steinreich sind. Naja, steinreich bin ich vielleicht, wenn man die virtuellen Steine mitzĂ€hlt, die mir meine Hater schon durch das Fenster geworfen haben. Denn als Influencerin, die weder mit Fashion noch mit Beauty etwas am Hut hat, schockiert mein Profil gelegentlich die eine oder den anderen. Eher âden anderenâ, da meine Hauptzielgruppe Frauen sind, die sich vor allem fĂŒr Selbstliebetipps, Feminismus, SexualitĂ€t und Nachhaltigkeit interessieren.
Meine Motivation hinter meinem Job ist es, den Menschen das GefĂŒhl zu geben, dass sie gut sind, genau wie sie sind. Ich hinterfrage Schönheitsideale und gelernte Verhaltensmuster und immer mehr Firmen möchten mit mir zusammenarbeiten, um sich so gemeinsam von alten Klischees zu lösen.
Die meisten Firmen wissen langsam, wie wichtig Influencer Marketing ist. Deshalb kann ich mittlerweile auch gut von meinem Job leben. Trotzdem bekomme ich immer wieder skurrile Kooperationsanfragen, ob ich nicht Werbung fĂŒr ein Duschgel machen möchte. Honorar fĂŒr meine Arbeit gibtâs leider keins, aber immerhin wĂŒrde ich das 2,95⏠Duschgel danach auch behalten dĂŒrfen. Nein, ich spreche hier nicht vom minikleinen 1-Frau Label der Tante meiner Nachbarin, sondern von groĂen Firmen, deren Produkte im Drogeriemarkt auf Augenhöhe stehen.
Aber mittlerweile habâ ich aufgehört mich zu fragen, wie wohl ein Maurer oder Installateur, also jemand mit âg’scheitem Jobâ, darauf reagieren wĂŒrde, wenn ich ihn am Ende seines Arbeitstages mit einem 2⏠Kaffee abspeise, und erwarte, dass der Anblick meines Hauses Entlohnung genug ist.
Wo wir wieder bei der Anfangsfrage wĂ€ren: Was ist ĂŒberhaupt ein gescheiter Job?
FĂŒr mich ist ein gescheiter Job einer, der mich wirklich erfĂŒllt. Eine Arbeit, fĂŒr die ich WertschĂ€tzung erfahre und bei der ich meine Zeit mit sinnvollen TĂ€tigkeiten verbringe, die mir im besten Fall noch SpaĂ machen. Dann ist es auch irrelevant, ob andere meinen Job fĂŒr einen gescheiten halten.
© Hannah-Maylou 2021-11-23