Suche Gespielin für meinen Mann

Lilie

von Lilie

Story

Als Kinder durften wir der Nanny und ihrer Familie das „Neujahr Wünschen“, wie wir immer sagten. Für sie waren die guten Wünsche der Kinder sehr wichtig, sie würden im kommenden Jahr Früchte tragen. Obwohl sie in einem alten Haus wohnte, war sie immer sehr großzügig mit dem Neujahrsgeld. Überhaupt war es der Nanny und ihrer Mutter immer ein Anliegen, Gutes zu tun. Die Almosen für die Bedürftigen hätten ihnen geholfen, ohne Schaden durch den Krieg zu kommen.

Nanny war eine mollige Genießerin. Sie besaß einen Hund, beide liebten Würfelzucker über alles. So wurde auch ihr Äußeres immer ähnlicher. Nanny war die erste in unserer Straße, die sich die neu-modischen Dauerwellen machen ließ und gleich um Jahrzehnte jünger aussah. Sie liebte ihren netten, großen, schlanken Mann Alfons. Dabei war sie keinesfalls prüde, eher eine Frau mit modernen Ansichten. Keine traute sich damals so offen über Sex zu reden. Sie erklärte uns Mädchen, wie wichtig guter Sex für eine Ehe wäre.

Ihre Kinder, alle sehr tüchtig, waren gut verheiratet, die ersten zwei Enkel geboren. Alles schien bestens, doch dann stellte man „Bauchkrebs“ bei ihr fest. Ein Schock für die ganze Familie. Sie musste sich einer schweren Operation unterziehen, von der sie sich nicht mehr erholte. Es war traurig, diese gute Frau so leiden zu sehen. Sie aber machte sich Sorgen um ihren geliebten Alfons. Wie sollte er so alleine zurechtkommen? Er durfte unmöglich auf eine schlechte Frau hereinfallen, die Nannys Platz einnehmen wollte. Sie musste dringend eine Lösung finden. Das Ehepaar sprach über mögliche Partnerinnen. Es sollte keine Freundschaft oder Ehe werden, nur ein heimliches Bett-Verhältnis. Die todkranke Nanny machte sich auf die Suche. An ihrer Beerdigung nahm fast das ganze Dorf teil.

Am Ende der Straße wohnte Käthe, die das Kirchenblatt austrug. Sie war von einfacher aber sehr herzlicher Natur. Vor einiger Zeit war sie von ihrem heimlichen Geliebten verlassen worden. Dieser hatte eine „gute Partie“ geheiratet. Die stolzen Verwandten machten daraufhin alles publik. Käthe litt sehr unter der Trennung und dem Gerede der Dörfler. Noch mehr aber jammerte sie über den „Trieb“, wie sie es nannte. Keiner konnte ihr helfen, mit wem auch immer sie darüber sprach. Selbst der Arzt hatte kein Rezept dagegen.

Seit neuestem beobachteten Käthes Nachbarn abends einen Mann, der mitsamt seinem Fahrrad in der Scheune der alleinstehenden Käthe verschwand. War das nicht Alfons?

Nach außen hin blieb alles beim Alten. Keine Verpflichtungen, keine Gemeinsamkeiten in der Öffentlichkeit, keine Familienfeiern, kein Weihnachten. Nur ein kurzer Gruß, falls man sich zufällig traf. Er blieb der um seine Nanny trauernde Witwer.

Jahre später, bei Alfons‘ Beerdigung, stand Käthe weinend ganz hinten bei den anderen Nachbarn. Keines seiner Kinder würdigte sie eines Blickes.

© Lilie 2022-12-19