von Peter Schwanter
Ich schreibe und veröffentliche meine Geschichten ĂŒber meine Zeit als (mittlerweile trockener)Alkoholiker und meine Entwöhnung nicht aus dem Grund, mir hier Luft zu verschaffen oder möglichst viele Streicheleinheiten zu holen, sondern deshalb, um aufmerksam zu machen, wie schnell es gehen kann, dass man von einem, eine Sache oder Substanz genieĂenden, Menschen, zu einem AbhĂ€ngigen werden kann. Ich rĂ€ume gleich einmal mit der âVolksweisheitâ auf, Sucht kĂ€me vom âSuchenâ. Sucht stammt vom althochdeutschen âSuhtâ ab und bedeutet âKrankheitâ. Davon abgeleitet, verwenden wir auch den Begriff des âSiechensâ, der uns allen ja im Zusammenhang mit Erkrankungen bekannt sein dĂŒrfte.
Es klingt natĂŒrlich poetischer und intellektueller, wenn man den Vergleich mit âdem Suchenâ bevorzugt, aber bis jetzt hat das jedem SĂŒchtigen, mit dem ich mich bis heute unterhalten habe, im besten Fall ein mĂŒdes LĂ€cheln ins Gesicht gezaubert.
Jede Sucht beginnt im Kleinen. Kein Mensch setzt sich aus Jux und Tollerei Tage und NĂ€chte lang vor seinen Bildschirm, um ohne Unterbrechung ein mehr oder weniger sinnvolles Spiel gegen imaginĂ€re Gegner zu spielen. Kein Mensch glaubt, dass das regelmĂ€Ăige Bier je gefĂ€hrlich fĂŒr ihn werden könnte. Dass die Pille am Abend, die einen ruhigen Schlaf sichern soll und die Tablette am Morgen, die wiederum den vollen Arbeitseinsatz garantiert, schon ein problematisches Verhalten darstellen wĂŒrde.
Tut sie vielleicht auch nicht, doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem es ohne diese Helferlein, sei es Spiel, Bier oder Medikament, nur mehr sehr schwer zu gehen scheint. Dann beginnt die SelbsttĂ€uschung. Man redet sich ein, ohnehin alles im Griff zu haben. âIch bin willensstark genug, jederzeit damit aufzuhören, aber ich genieĂe es, warum sollte ich. Schau dir den XY an, der ist auf dem Weg zur AbhĂ€ngigkeit, nicht ichâ. So oder so Ă€hnlich laufen anfangs die GesprĂ€che mit sich selber und in weiterer Folge dann auch mit anderen Menschen ab, die den Mut haben, mich auf ein mögliches Suchtproblem hinzuweisen.
FĂŒr alle, die jetzt sagen, so was könnte mir nicht passieren, ich neige nicht zu sĂŒchtigem Verhalten, ein kleines Gedankenexperiment: Denk an deine Lieblingsspeise (angenommen sĂŒĂe Sachen) und vereinbare mit dir selbst, diese ein Jahr lang nicht zu dir zu nehmen. Um die ganze Sache noch ein wenig âspaĂigerâ zu machen, verpflichtest du dich auch noch, in diesem Jahr jeden Tag eine Konditorei zu besuchen und dort nichts SĂŒĂes zu essen. Du wirst recht bald einen Eindruck davon haben, wie sich Entzugserscheinungen anfĂŒhlen. Diese Unruhe und Unausgeglichenheit, die du dann verspĂŒrst, kannst du mit 100 multiplizieren, um dir ein Bild zu machen, wie es einem AbhĂ€ngigen geht, wenn er seine Dosis nicht bekommt.
Ich bin jedem Menschen seine Ekstase und seinen Rausch, in welchem Metier auch immer, von Herzen vergönnt aber ich bin auch der Meinung, dass jeder ĂŒber die möglichen Auswirkungen informiert sein sollte.
© Peter Schwanter 2020-05-23