von Anna Radonic
Ich bin süchtig nach Glück. Wer so viele Momente perfekten Glücks empfunden hat, der gibt sich nicht zufrieden mit alltäglicher Zufriedenheit. Das reine Glück, der eine Moment, in dem alles absolut erscheint, ist wie eine Droge. Für viele ist es so nah und doch so unerreichbar. Der Kern der Existenz. Jeden Tag suche ich es in den kleinen Momenten und ich war so oft in der Lage, es zu spüren.
Wieso aber war es mir seit geraumer Zeit nicht möglich, Zugang zu diesen Momenten zu haben? Wieso suchte ich dieses Glück in einem Stück Torte, einer Tafel Schokolade, im Netz, in meiner Beziehung? Wieso suchte ich überhaupt? Bisher hat es mich doch immer gefunden, also wieso zum Teufel suchte ich seit über einem Jahr danach? Das war ich nicht gewohnt. Es fand mich doch immer.
Ich hatte immer so viele Ziele. Habe ich denn keine mehr? Ich sehe keine Wege mehr, keine Abzweigungen, nicht einmal Trampelpfade. Keine Wege, die den Zielen als Ausrede dienten. Ich existierte einfach.
Das passiert wohl, wenn man sein Glück in die Hände einer einzigen Person legt. In eine Person, die genauso wie man selbst Emotionen hat, Wünsche, Sehnsüchte, Ambitionen und dementsprechend unzuverlässig wird. Es mag die ersten drei Jahre perfekt laufen, aber nach einer gewissen Zeit setzt die Unzuverlässigkeit ein und man steht alleine im Flur, glotzt die Haustür an und wartet auf sein Glück, das sagte, es würde um 22 Uhr zu Hause sein. Die andere Person hat es mit fortgenommen, ohne überhaupt gegangen zu sein. Man könnte meinen, das Glück sei entwendet worden, nachdem man verlassen wurde. Viel schlimmer ist es jedoch, dieses Glück nicht mehr zu besitzen, während diese Person noch da ist. Was ist der nächste Schritt? Die Trennung? Aber das will man doch gar nicht. Man möchte einfach nur wieder glücklich sein. Denn was passiert nach einer Trennung? Man stürzt in ein schwarzes Loch. Dieses Glück, das man nicht mehr hatte, tanzt einem nicht mehr ignorant vor den Augen herum, es ist nun absolut nicht mehr greifbar, während es mit seinen einzelnen Momenten im Gehirn festsitzt und wie eine kaputte Schallplatte jene Momente wiedergibt, die man so lange nicht mehr gespürt hat.
Doch was vergisst man? Man vergisst, dass das Gehirn in der Lage ist zu vergessen. Es vergisst, wer man einmal war. Es vergisst, dass man überhaupt ist. Es vergisst, dass das Glück in einem selbst liegt. Erst nach diesem Vergessen findet eine kleine Renaissance statt und man beginnt sich wiederzuentdecken. Man entdeckt, wie gerne man doch einfach war, ohne gewisse Sachen definieren zu müssen. Wie viel Spaß kitschige Romane gemacht haben, denn sie gaben Hoffnung, auch wenn sie nicht unbedingt realistisch waren. Was ist überhaupt realistisch? Was ist real? Man beginnt zu entdecken, dass die Realität das ist, was man daraus macht, was man erschafft. Und man erschafft sehr gerne. Man schafft einen magnetischen Raum, ein positives Feld um einen herum, das das Glück anzieht.
Denn niemand außer dir selbst wird dich retten.
© Anna Radonic 2021-08-15