Süßer Duft

Silvia Jelinek

von Silvia Jelinek

Story

In Asien gibt es 2x2m über einander gestapelte Wohnboxen für Menschen, die sich keine andere Unterkunft leisten können. Xenia Hausner hat von oben in eine dieser Menschenkiste hineinfotografiert und anhand der Ablichtung eines ihrer beklemmenden, eindrucksvollen Bilder gemalt. Fenster keine, eine Schlafmatte, zwei Frauen sitzend, eine Uhr. Es muss heiß dort sein.

Ich sitze im Hof, fast den ganzen Tag. Auf 2x2m sind Ziegelsteine verlegt, darauf ein Tisch und ein paar Klappsessel. Gegen den späteren Nachmittag bewegt sich die Luft ein wenig und mit ihr die in der Hitze zäh dahindümpelnden Gedanken. Der süße Mannerschnittengeruch, der sich im Hof verfangen hat, bekommt Löcher. Nicht einmal der Eibenbaum und die sorgsam gehegten Pflanzen um den Tisch lassen Kühle aufkommen. Einen Tag in diesem Geviert, mit den vollen Mistkübeln zu verbringen hat etwas Experimentelles. Kaffee, lesen, Schach spielen, Sinnieren, schreiben.

Auf der Erde wirds heißer, weil immer mehr Menschen immer mehr produzieren und konsumieren. Unter anderem. Überbevölkerung, zu viele. Aber wer ist über. Nicht ich, denkt man. Nicht meine Kinder, meine Enkelkinder, meine Freunde und Freundinnen. Jede und jeder für sich besonders. Unverzichtbar. Zu viel nur die Masse. Bestehend aus lauter, für jemand Bedeutsamen. Dilemma. „Wie schön, dass du geboren bist, wir hätten dich sonst sehr vermisst.“, singen wir den Kindern zum Geburtstag.

Vielleicht haben wir als Menschheit keine Wahl. Macht es einen Unterschied.Mehr Menschen auf dem Planeten gleichzeitig, aber dafür kürzeres Gastspiel? Oder Vermehrung drastisch einstellen, hintereinander, statt gleichzeitig leben. Eigentlich käme es ja irgendwie aufs Gleiche raus. Wenn schon der einzelne sein Leben nicht überlebt, wie soll dann die Menschheit. Haben wir ein Ziel? Möglichst viele Menschenlebensjahre? Lebensqualität? Evolutionärer Entwicklungsstand der Menschheit hinsichtlich von Solidarität und Empathie – Menschlichkeit, Intellekt? Welche Noten werden wir kriegen? Wenn aber doch keiner da ist, zur Zeugnisvergabe.

Ein Tag auf 2×2, jedoch ohne Wände, mit Grünpflanzen unter den Zweigen des dunkelgrünen Nadelbaumes. Kein Vergleich. Eine gelbe Zitrone am Zweig der in der Hitze welkenden Pflanze. Sieben Feuerlilien als Farbtupfer, im Hintergrund die von der Sonne erhitzten Hausmauern, mit ihren langweiligen Kunststofffenstern. Die süße Schwere in der Luft hat sich verflüchtigt. Mannerschnitten in der rosa Packung mit dem Stephansturm darauf, ein romantisches Überbleibsel aus einer Zeit, vor den Kriegen, zwischen und nach den Kriegen. Damals schienen die Katastrophen noch in Menschenhand, jetzt heizt uns die Natur ein. Ob es sich noch für einen Friedensschluß ausgeht, zumindest einen Waffenstillstand mit aufschiebender Wirkung? Unsere Kinder zwingen uns zu Zuversicht und Handlungen.

© Silvia Jelinek 2021-07-06