Süßes, Logik und ein Lächeln

Musenzeit

von Musenzeit

Story

Dass so ein dunkler Geselle der Einschüchterung mit dem Nikolaus, der morgen durchs Land streifen wird, mit spaziert, ist eines der wunderlichen Dinge, die ich in Österreich entdeckte.

Wo ich aufwuchs, da gab es „nur“ den netten Weißbärtigen im roten Mantel mit großem Sack auf dem Buckel, der allen Süßes gab. Schön demokratisch, ohne Züchtigungscharakter. Den hatten wir durch den Pfarrer und die Nonne im Kindergarten, Schwester E., einer schmächtigen kleinen Frau, die so ordentlich schimpfen konnte, dass sogar der frechste Junge irgendwann los plärrte.

Mit dem Brauchtum stehe ich oft da wie eine, die mühselig fremde Buchstaben lernt, ob im eigenen oder fremden Land. An Weihnachten war der regelmäßigste Familienbrauch, sich leckere Weihnachtsplätzchen mit bunten Zuckerstreuseln einzuverleiben – und die unausweichlichen Streitereien, weil die Tage zuvor Stress pur für die Erwachsenen waren. Unser kleiner Baum war von oben bis unten vollbehangen mit Selbstgebasteltem, Kinkerlitzchen und Leckereien. Diskoreif blinkte er mit bunten Lämpchen, alles hatte einen Touch Bollywood mit Bohéme. Motto: Mehr ist mehr. Weder Weihnachtsmann noch Christkind waren da im Gespräch. Die Vorweihnachtszeit war dafür da, Geschenke zu basteln für die Familie und Freunde. Alle Geschenke unterm Baum wurden adressiert mit Absender, und Danke-Sagen an die realen Menschen persönlich oder telefonisch ein Pflichtprogramm.

Ich weiß nicht, ob mir ein wenig mehr „kindliche Weihnachtszauberei“ gefallen hätte. Trotz blühender Fantasie war ich früh hartnäckig wissbegierig und wurde bei Märchen stutzig, wie denn das so rein logisch sein könnte. So war Weihnachten für mich vor allem ein Fest des Schenkrituals, wobei das Spenden an Bedürftige dabei immer mehr Raum einnahm.

Robert erzählte mir von seiner neuesten literarischen Zeitreise. Das Buch lädt dazu ein, eine andere Kulturbrille aufzusetzen: „Jesus through Middle Eastern Eyes“ von Kenneth E. Bailey. Diese exzellenten Sozialstudien ließen mich überrascht aufhorchen: Das bekannte Krippenspiel hat wenig mit den realen Umständen zu tun, die die damalige Kultur auszeichnete. Fasziniert höre ich, wie die Wohnstätten ausgestaltet waren, wie ungenaue Übersetzungen in eine falsche Richtung wiesen etc. etc. Nichtsdestotrotz wird das Bedürfnis nach Tradition, die offensichtliche Verbindung zu anderen mystischen Heilsbringer-Geburtsgeschichten der Religionen sowie der stark moralisierende Charakter der Ausgestaltung weiterhin dafür sorgen, dass die Weihnachtsgeschichte wohl zunächst weiterhin so gespielt wird.

Da gibt es eine Geschichte über einen kleinen Floh, der das Jesuskind zum Lächeln brachte. Wo und von wem ich sie als Kind hörte, habe ich komplett vergessen, aber dieses freundliche, verspielte Bild hat sich in meinem Herzen erhalten als innige Weihnachtsstimmung. Ein schönes christliches Märchen – oder vielleicht stimmt es ja wirklich… ?

© Musenzeit 2022-12-05

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