Superdaddy und seine tolle Welt

Sandra Hermes

von Sandra Hermes

Story

Unter uns gesagt: Es kotzt mich an, wenn der Vater die Kinder nach einem Wochenende freudestrahlend zurückbringt. Die Kinder sind aufgeregt und erzählen, wie toll es doch bei ihm war. Es ist doch so viel besser bei Papa. Ehrlicherweise sagen sie das nicht. Aber ich höre das. Und ich beginne zu zweifeln, zu vergleichen und zu konkurrieren. Ich will doch der bessere Elternteil sein. Was ich fühle, ist Neid, Hass, Frust, Selbstmitleid. Wahrscheinlich eine Mischung aus allem. Die Kinder dürfen – nein – sollen sogar zu Papa. Und ich muss meine Erfahrung mit ihm, von der Erfahrung der Kinder mit ihm, trennen. Ist mir klar. Aber meine Gefühle sind trotzdem da.

Die Psychologin in mir braucht es analytisch. Einfach in eine Schublade eingeordnet. Vielleicht macht es mir dann weniger Angst. Also: Ich sehe ihn als Konkurrenten. Einer, der mir die Kinder wegnehmen will. Einer, der die Kinder auf seine Seite ziehen will. Einer, der den Kindern mehr bieten kann als ich. Aber ist das so? Schließlich muss er jetzt mit den Kindern Programm machen. Als wir noch zusammen waren, habe ich mich um alles gekümmert: Mittagessen mit Vitaminen, Wochenendgestaltung mit Ausflügen, Erziehung mit Trösten. Er hat sich immer nur mitziehen lassen und aus der Verantwortung genommen.

Die Rollen verändern sich

Und jetzt? Jetzt ist er verantwortlich fürs Essen, fürs Programm, fürs Unterhalten. Dass er mit den Kleinen macht, was ich immer gewollt habe, heißt ja nur, dass es ihm an eigenen Ideen fehlt. Abkupfern ist einfach. Und Abwälzen geht nicht mehr. Ich bin nicht mehr da. Und klar, kann man emotionale Kälte mit Geld wett machen. Hat immer schon funktioniert. Ist der einfache Weg. Also nüchtern betrachtet: Das alles hat nichts mit mir zu tun. Sondern ergibt sich aus der geänderten Situation. Er muss nun eine neue Rolle übernehmen. Und das sich das an meiner alten Rolle orientiert ist naheliegend und macht Sinn. Ich habe sie bestens ausgefüllt.

Auf meine Stärken besinnen

Ich habe mir fest vorgenommen, dass ich die nächsten freien Wochenenden nicht allein zu Hause rumsitze. Ich gehe zum Friseur, mit einer Freundin Milchkaffee trinken und kaufe mir neue Schuhe. Mich einfach verwöhnen und Akkus aufladen. Und wenn die Kinder dann bei mir sind, lese ich eine Geschichte mehr als sonst, gehe nach dem Eis laufen zu McDonalds, lasse Popcorn platzen und schaue mit ihnen die Eiskönigin an. Einfach achtsam sein und dabei wissen, dass ich ihnen Wurzeln gebe, die sie so dringend brauchen, um zu wachsen. Dass ich fürs Zähne putzen sorge, damit sie gesunde Zähne haben. Dass ich sie zum Lernen motiviere, damit sie Bildung haben. Dass ich fürs Streiten da bin, weil ich es aushalte.

Nur das mit den Flügeln, die sie zum Fliegen brauchen, ist nicht so einfach. Noch. Denn das hat mit Loslassen zu tun. Musste ich eben erst. Tut weh. Schaffe ich noch nicht. Aber die Kinder los zulassen und zu vertrauen, dass sie wieder kommen, das ist der nächste Schritt. Versprochen.

© Sandra Hermes 2022-12-10

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