von Gossengoethe
Sie begann zu erzählen, mit ruhiger, fast ans Vorlesen für Kleinkinder erinnernder Stimme, und schmückte die Geschichte mit liebevollen Details aus, dass wir alle inkl. ihrem Vater gebannt an ihren Lippen hingen. Ich muss hier aus Layoutgründen kürzen; der ganze Witz von Anfang bis Pointe war geschätzt über zehn Minuten lang. Nun denn:
Zwei Brüder verirren sich im Wald und drohen schon bald zu verhungern und zu erfrieren. Mit einem Bein im Grab und damit abgefunden, sehen sie plötzlich in der Entfernung Rauch aufsteigen. Die Hoffnung stirbt zuletzt und so taumeln sie mit letzter Kraft darauf zu. Siehe da, es ist ein kleines Lebkuchenhaus wie im Märchen, vollgestopft bis obenhin mit allerlei Leckereien! Die alte Hexe, die darin wohnt, hat Mitleid und verspricht ihnen, dass sie davon essen und sich so viel mitnehmen dürfen, wie sie wollen, und sie ihnen dann den Heimweg zeigt – aber die Sache hat einen Haken: Der eine kann das Essen holen, der andere muss sie währenddessen dafür ordentlich nageln. Sie hat seit 130 Jahren keinen Schwanz mehr gesehen und hält es bald nicht mehr aus.
Die beiden Männer liefern sich ein erbittertes Schere-Stein-Papier-Duell, und der Gewinner geht auf Nahrungssuche, während der andere tief durchatmet und der Hexe in ihr Schlafzimmer folgt. Er ist fest entschlossen, das Bevorstehende zum Wohle ihres Überlebens durchzuziehen, aber sobald er das ekelhafte, struppige, stinkende, ranzige Höllenloch zwischen ihren Beinen sieht, bekommt er doch kalte Füße. Zum Glück sind Hexen eh von Natur aus (und diese dank des hohen Alters besonders) blind wie Maulwürfe, und so nimmt er stattdessen einen gebratenen Maiskolben vom Buffet auf dem Tisch und fickt sie heftig damit, was ihr mindestens ein Dutzend Orgasmen beschert und sie jaulen lässt wie einen geschlagenen Hund.
Danach wirft er den Mais sofort angewidert aus dem Fenster, damit sie seinen Trick nicht bemerkt, und tut so, als sei er erschöpft, keucht und stöhnt und behauptet, dies sei der beste Sex gewesen, den er je gehabt habe. Die Hexe lacht, bedankt sich, und beschreibt ihm den Weg aus dem Wald; zwar ein zweitägiger, harter Marsch, aber jetzt, wo sie so viel Essen dabei haben, durchaus machbar. Er gibt ihr ein höfliches Abschiedsküsschen und sprintet, verstört und entsetzt über die ganze Erfahrung, Hals über Kopf zur Tür hinaus, wo er seinen Bruder trifft, wie ein Esel mit Lebensmitteln vollbepackt. Der freut sich wie ein Schneekönig und erzählt begeistert von seiner fetten Beute:
„Junge, du glaubst nicht, was ich alles gefunden habe, der Schuppen ist voller Süßigkeiten, der Dachboden voller Käse, und der Keller voller gebratenem Fleisch. Schau mal da hinten, aus dem Springbrunnen fließt süßer Wein! Hier ist es wirklich wie im Märchen, und sogar ein bisschen Magie am Werk! Als ich gerade an diesem Fenster vorbei kam, flog mir ein gegrillter Maiskolben direkt in den Mund, und ist es zu glauben? Da war sogar schon ein Fingerbreit geschmolzene Butter drauf!“
© Gossengoethe 2021-10-21