Ich wollte mir heute eine richtig gute Schreib-Playlist anlegen. Kaffee dampfte neben mir, mein Laptop summte, und Ernest – mein stacheliger Kaktus – thronte auf dem Regal. »Heute rocken wir das Kapitel«, flüsterte ich ihm zu, während ich die App öffnete.
Zuerst suchte ich nach ruhigen Instrumenten: Piano, leichte Streicher, vielleicht etwas Jazz ohne Gesang. Ich speicherte drei Tracks, hörte rein – zu seicht. Dann klickte ich auf »90er-Erinnerungen«, weil ich irgendwann gehört hatte, Nostalgie pushe die Kreativität. Zack, füllte sich die Liste mit Boyband-Hits und Celine Dions »My Heart Will Go On«. Albern, aber ich wollte es ausprobieren.
Kaum hatte ich den ersten Song gestartet, spürte ich den Impuls, aufzustehen. Die ersten Takte von »Wannabe« rissen mich aus dem Stuhl. Ich tanzte durch mein enges Wohnzimmer, hüpfte im Takt und schmetterte das »zig-a-zig-ah« in Richtung Fenster. Ernest beobachtete meine Cha-Cha-Cha-Einlage mit stacheliger Gelassenheit.
Eine halbe Stunde später stoppte ich, keuchend und grinsend. »Time to write«, beschloss ich, klopfte mir imaginären Staub vom Hemd und setzte mich zurück an den Schreibtisch. Ich tippte den ersten Satz – und lehnte mich zurück: »Was wollte ich hier eigentlich schreiben?«
Verzweifelt klickte ich in der Playlist weiter. »Daft Punk – One More Time«? Die App lieferte gleich das dazugehörige Remix-Set. Vierzehn Versionen später hatte ich Muskelkrämpfe statt einen Text. Doch ich machte noch lauter, drehte Ernest einmal um seine Achse und rief: »Ernest, wir sind noch nicht fertig!«
In diesem Moment klingelte es an der Tür. Max stand da, einen Becher Latte Macchiato in der Hand, sah mich im Air-Guitar-Modus und lachte: »Bist du okay?«
»Schreib-Playlist!«, rief ich euphorisch und wedelte mit der Hand zur Musik.
Max setzte sich, nippte am Kaffee und fragte trocken: »Und, hast du schon was geschrieben?«
Ich starrte auf den Bildschirm. Dort flimmerte ein blinkender Cursor über einer leeren Seite – kein einziges Wort.
Max grinste, legte die Tasse ab und drückte auf Pause. »Manchmal braucht man nur den richtigen Song – aber nicht den ganzen Club.« Er zwinkerte, schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln und ging.
Allein mit Ernest starrte ich die leere Seite an. Die Playlist war jetzt episch – aber mein Kapitel hatte ich komplett aus den Augen verloren. Ich rieb mir die Stirn und murmelte: »Wer braucht schon einen Soundtrack, wenn man keinen Text hat?«
Ernest schwieg, aber ich wusste: Morgen würde ich wieder schreiben. Vielleicht mit weniger Tanzpausen – oder wenigstens mit einem klaren Plan.
© Kreative-Schreibwelt 2025-08-27