von Ernad Bradaric
Wo auch immer man hinblickt in dieser Stadt, das Auge macht halt bei einem Gotteshaus. Zumeist zuerst ein Minarett, nicht selten auf Kirchtürme, ja auch Synagogen sind vertreten. Sie halten einen stillen Wettbewerb darüber ab, wer am ältesten ist.
Ich aber stand irgendwo in der ehemaligen Nationalbibliothek, die während dem Krieg in Flammen stand. Zwei Millionen Bücher und Dokumente brannten hier und mit ihnen endgültig der Traum eines geeinten Jugoslawiens. Ich blicke aus dem Fenster, sehe die Häuser direkt davor, die bis heute ihre Kriegswunden nicht entfernten. Vor mir bilden sich all die Figuren: Die, die im letzten Moment noch aus dem Gebäude kamen und die, die während und nach dem Brand die letzten paar Bände noch retten wollten. Ich bin fast fertig mit meiner Besichtigung und höre den Gebetsruf, sogar hier im verschlossenen Raum. Ich mache mich auf den Weg.
Es sind kaum zehn Schritte und man erreicht die Bascarsija, den historischen Kern der Hauptstadt. Hier steht die größte und eine der ältesten Moscheen Bosniens. Die Gazi-Huzrev-Beg Moschee war zwar ursprünglich mein Ziel, doch ein Muezzin auf dem Minarett einer anderen Gebetsstätte ließ mich fasziniert zurück: Altmodisch, ohne Mikrophon, und doch konnte ich ihn schon von einer weiten Strecke hören. Ich schling mich durch die etwas engen Gassen und fand Menschen, Gläubige vor, die gerade noch ihre rituelle Waschung vor dem Gebet vollzogen. Ich schloss mich ihnen an, mein Reisepartner sollte auf der Bank Platz nehmen, erklärte ich ihm. Als ich meine Schuhe wieder anzog, fand ich ihn vor dem Eingang stehen, schauend und staunend, mit seinem Rucksack, der sein Touristendasein entstellte.
Ein alter Mann blickte mindestens genauso erstaunt auf meinen Reisepartner.
-Na Namaz?
Stille.
– As-Salat?Ich eilte zum Eingang, zog meine Schuhe wendig aus und erklärte, dass er zu mir gehöre. Ich würde das Gebet vollziehen, er würde währenddessen schauen. Ich drängte ihn in das Innere. Doch hier war Endstation.
Aber er kann doch nicht ohne Waschung eintreten. Während dem Gebet. Also… Entschuldigung, aber es tut mir leid.
Ich könne doch da draußen beten, wenn ich bei ihm sein will. Eine versuchte Diskussion brachte nichts, von hinten drängten schon weitere Gläubige, einer davon erklärte knapp in Englisch, warum das, was wir da versuchen, nicht geht.
Also es tut mir wirklich leid…
Ma nista, war meine Antwort. Ach, nichts. Still, noch kurz hinter mir blickend betrat ich alleine und rund um Menschen dieses Stück orientalischer Architektur.
© Ernad Bradaric 2021-08-12