von Ferry Nielsen
Ich möchte darauf hinweisen, dass der Tanz, den ich hier beschreibe, über den Namen hinaus wenig Gemeinsamkeiten mit dem gleichnamigen Tanz hat, der zu den internationalen Standardtänzen gehört. Ein Tanz ehemaliger zerlumpter, ausgehungerter Auswanderer am Rio de la Plata. Tango ist für mich Gefühl – und Gefühl kann man nicht beschreiben und erlernen. Ich versuche aber die Technik zu erlernen. Ohne Technik funktioniert es nicht. Man muss sie erlernen und wieder vergessen. Drei Schritte, die glücklich machen – sind immer noch mein Ziel. Eigentlich war ich dabei, ein anderes Buch zu schreiben, als dieses zwingend auf mich zukam. Ich band mich nie an ein Gesetz, war immer wie ein Nomade und meinem Wesen nach ein Freier Mensch. Ich rebellierte ständig gegen jede Art von Unterdrückung, gegen die Richter und das Gesetz. Mein Lebensstil war allen Normen entgegengesetzt. Ich hatte immer meine Ordnung, die sich aber von der herrschenden Ordnung stark unterschied. Mein Gerechtigkeitssinn und die ewige Sehnsucht nach Freiheit. Also war ich eigentlich immer schon der personifizierte Tango. Einmal vorweg. Ich war nie ein Tänzer. Ich habe Tanzflächen immer gemieden. Schon als Jugendlicher, also so zwischen vierzehn und siebzehn Jahren saß ich in der Disco lieber an der Bar und ließ mich von den Mädchen ansprechen. Zum Reden, aber nicht zum Tanzen. Es war mir ganz einfach unangenehm und ich war zu schüchtern hier offen zu tanzen, also zu improvisieren. Dann irgendwann in Berlin kam die Wendung. Vis-à-vis der Museumsinsel gab es eine Outdoor-Milonga in einem Café unter Palmen, wo ein älterer Herr, so um die achtzig mit einer wunderhübschen zwanzigjährigen Tango Argentino tanzte. Diese Situation damals berührte mich sehr. Dann kam eine Doku auf einem französischen Kultursender, in der über ältere Tanzlehrer in Buenos Aires berichtet wurde und ich wechselte sofort auf meinem Akkordeon vom Wienerlied zum Tango Argentino. Tango Argentino, Wiener Lied und Walzer sind ziemlich verwandt – davon erfuhr ich aber erst später. Tango ist Gehen, also begann ich vor acht Jahren mit dem Tango – und ich kann nichts. Aber ich vermute, ich bin der Tango in Persona und mache weiter. Immer weiter, denn ich weiß wie Tango Argentino auszusehen hätte. Kann es aber technisch nicht umsetzen. Noch nicht. Als ich damals vor Jahren in Wien zum ersten Mal ein Tango-Studio betrat, war es wie ein Wink des Schicksals, Ich betrat in Wien Neubau mein erstes eigenes Fotoatelier aus meiner Jugendzeit. Es wurde zur Tanzschule umgebaut. Hier unterrichtete jetzt ein kleiner Mexikaner, der wie ein Indianer aussah, mit Inbrunst Tango Argentino. Ich überredete damals eine Freundin mich dort hinzubegleiten. Da wir noch keine Tanzschuhe hatten, begannen wir die erste Stunde in Socken zu tanzen, also eher herumzustolpern. Enger düsterer Raum. Viel zu viele Tanzschüler, aber eine Stimmung die mich sofort in Ihren Bann zog. Ein trauriger Gedanke, den man tanzen kann, nannte ein argentinischer Komponist den Tango. Und das war mein damaliger Zustand.
© Ferry Nielsen 2025-02-01