Sie tanzt, sie tanzt ein Leben Lang. Leichtfüßig schwebt sie über das Parkett, bringt ihr Publikum zum Staunen. Sie ist in ihrer Welt. Eine Tänzerin, geboren für das Rampenlicht.
Ein Fuß nach vorn, eine Drehung nach links, die Arme nach oben gestreckt gen Himmel. Ihr Atem geht schneller, ihre Wangen röten sich, die Luft entweicht durch ihre leicht geöffneten Lippen. Die Musik wird langsam, sie wird langsamer, kniet zu Boden, schaut auf, blickt suchend um sich.
Donnernde Trommeln, sie springt auf, läuft tänzelnd davon, setzt zum Spagatsprung an, landet weich auf ihren Füßen. Lässt sich in die Arme ihrer Mittänzer fallen. Alle zerren an ihr, wollen ein Stück Ruhm. Doch das Licht ist nur auf sie gerichtet.
Sie reißt sich los, trippelt auf ihren Zehenspitzen über das Parkett, den Schmerz ignorierend, denn dieser ist nicht wichtig. Wichtig ist das Gefühl der Freiheit beim Tanzen, ihre Welt in der sie gerade lebt.
Die Musik wird schneller, der Prinz erscheint oder nein halt, es ist nicht der Prinz, denn sie rettet sich selber, in dem sie weiter tanzt, kämpft, kämpft für sich und ihre Welt.
Ein weiter Spagatsprung, ein weiteres schmerzendes Trippeln über das Parkett, ein weiterer Sprung in die Freiheit. Eine wilde Drehung nach rechts. Sie wiegt sich mit der Musik, die wieder langsamer wird und plötzlich zum Stillstand kommt, aber nur für ein paar Sekunden. Kurz ist sie wieder in der realen Welt und wird dann von der leisen einsetzenden Melodie in ihre Welt zurückgezogen.
Sie liebt das Tanzen, die Freiheit, sie ist sie selbst, besessen von der Freiheit, die ihr das Tanzen gibt. Keine Sorgen, keine Ängste, keine Konkurrenz, kein Neid, keine Missgunst, keine Intrigen.
In ihrer Welt existiert nur sie, ihre Leidenschaft, ihre Liebe zum Tanz.
Eine leichte letzte Drehung und sie sinkt zu Boden, das Licht geht aus, die Melodie verstummt, reale Welt setzt ein, genau wie der tosende Applaus der Menschen, die in ihrer Welt gefangen war.
© Laura-Sophie Thies 2022-11-18