Tarascon (Fr.5)

Jörg Gschaider

von Jörg Gschaider

Story

Einige Kilometer von der KĂĽste entfernt, im malerischen Städtchen Tarascon, war Frankreich lebenswert. Wir hatten vorzĂĽglich gespeist und – als sensationell weiĂźe Ausländer – mit Kindern und Jugendlichen im Freibad Ball gespielt. Was will man mehr?

Ein neuer Morgen war angebrochen. Am Vortag hatten wir gelernt, dass das „Baguette Provence“ nichts mit jenem aus der Fernsehwerbung gemein hat. Zu reichlich Café Noir mit Käse und Schinken passte es wesentlich besser, denn als Hauptgang im Restaurant.

Ein klitzekleines Problemchen gab es an jenem Tag zu lösen. Das heißt, es war nicht notwendigerweise unbedingt genau heute zu lösen, aber bald. Das Profil des Reifens war nämlich bedenklich zur Neige gegangen. Ein paar Hundert Kilometer würde der Reifen vielleicht noch machen, dann würde er uns aber sein Gewebe sehen lassen. Tarascon schien ein derart nettes Städtchen zu sein, dass es sich anbot, den Wechsel gleich zu erledigen.

„Je veux pneus.“ Mein minimalistisches Französisch war dem Kellner verständlich. Gestikulierend erklärte er uns den Weg. Irgendwo in der Stadt halt, hab ich verstanden. Also gut, einen Händler gab es augenscheinlich. Aufgepackt und auf die Suche gemacht. Einige Runden gedreht, doch Motorradhändler wollte partout keiner ins Auge springen. Doch da: ein alter Mann, mit typischer Franzosenmütze, auf einem Fahrrad. Den würde ich fragen.

Sehr liebenswürdig und freundlich erklärte er uns wortreich den Weg. „Compri?“, beendete er seinen Vortrag. Ich hatte kein Wort verstanden. Aber was hätte ich sagen sollen? Hätte ich mit „non“ geantwortet, wäre mir ein weiterer französischer Wortschwall bevorgestanden. Also antwortete ich mit „oui“.

So leicht ließ sich der betagte Franzose aber nicht überlisten. Der etwas rundliche, grauhaarige Mann musterte mich aus hellwachen, verschmitzten Augen und gab schließlich lächelnd ein „non!“ zurück. Anstatt des erwarteten neuerlichen Referats bedeutete er mit einfachen Armbewegungen ihm zu folgen. So fuhren wir durch die halbe Stadt: der Herr mit dem Fahrrad voraus und wir mit der aufgepackten 750er hinten drein. Vielen herzlichen Dank! Ohne ihn wären wir wahrscheinlich herumgekurvt, bis der Reifen geplatzt wäre.

Der Reifenwechsel war kein Problem. Für Franz und mich bedeutete er nur einen weiteren Café im Beisel gegenüber der Werkstätte.

Den schönen neuen Reifen in Augenschein genommen, die Rechnung beglichen und weiter geht’s Richtung Küste. Der Rhone entlang nach Arles und weiter nach Auiges Mortes. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel und das Frühstück war verdaut. Höchste Zeit für eine Mahlzeit. Wie am Vortag gelernt, ein Menü bestellt und die 5,6 oder 7 Gänge – ich weiß nicht mehr genau – genossen. Jetzt bräuchte es ein Mittagsschläfchen! Also aufgestiegen und ein paar Kilometer bis zum nächsten Strand unter die Räder genommen. Ein gefüllter Bauch, Sonne, Strand und das Rauschen des Meeres: So schön kann das Leben sein!

© Jörg Gschaider 2021-03-09

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