Tartu, die Universitätsstadt

Eva Filice

von Eva Filice

Story
Tartu, Estland 1632 – 2024

Die Universität Tartu gilt als die älteste und größte Universität Estlands. Sie wurde 1632 unter König Gustav II. Adolf von Schweden in Tartu (damals Dorpat) gegründet. Er unterschrieb die Gründungsurkunde, doch im November 1632 wurde er während des Dreißigjährigen Krieges in der Schlacht bei Lützen (Kurfürstentum Sachsen) von den Truppen Wallensteins getötet. Dem Gründer zu Ehren wurde ein Denkmal bei der Universität errichtet, das den politischen Veränderungen der Zeit zum Opfer fiel. Meine Freundin Meeli schreibt: „So ist Tartu Universitätsstadt geworden. In der Sowjetzeit wurde die Statue zerstört und es war verboten, von der „goldenen schwedischen Zeit“ zu reden. Die Geschichte wurde nach sowjetischer Art umgeschrieben und natürlich wurden die Russen als Gründer der Uni geehrt.“

Die Deutsch-Balten hatten einen großen Einfluss auf die Sprache, Kultur und Religion, da diese Oberschicht durch die Missionierung im 12. Jh. sich in diesem Gebiet niedergelassen hatte. Der deutsch-baltische Adel verstand es, seinen Einfluss mit Russland geltend zu machen. So wurde unter dem russischen Zarenreich die Universität Dorpat 1802 als einzige deutschsprachige Universität des neu gegründet. Gleichzeitig wurde sie zur Mittlerin der deutschen und russischen Kultur. Doch ab 1886 wurde Deutsch als Unterrichtssprache verboten und die Russifizierung erstreckte sich auf alle Lebensbereiche.

1919 wurde die unabhängige Republik Estland gegründet und die Universität Tartu blieb, wie auch in der späteren Sowjetzeit von 1940 bis 1991,,die bedeutendste Universität Estlands. Eine besondere Bedeutung nehmen die Studentenverbindungen an der Universität Tartu ein. Die Farben der einstigen Verbindung „Verein Studierender Esten“ (ab 1873) wurden als Nationalfarben für Estland übernommen. Während der Sowjetzeit wurde der Verein, zu dem nur Studenten aus Tartu zugelassen waren, verboten. Heute gibt es mehrere Studentenverbindungen für alle Studenten (nur Männer), die einen großen Zulauf zu verzeichnen haben. An dieser Tatsache kann ich keinen Gefallen finden. Einen friedlichen Aufmarsch der Burschenschaften erlebte ich bei einem meiner Aufenthalte in Tartu, trotzdem war es für mich eine rückwärtsgewandte Parade. Die Studenten und Studentinnen prägen die Stadt, ich erlebte Tartu jugendlich, fröhlich und kulturvoll.

Meelis Erinnerung an ein besonderes Denkmal für den Gründer der Universität: „Einmal in den 1980er Jahren gab es im Winter auch viel Schnee wie dieses Jahr und dann haben die Studenten auf dem Platz hinter dem Hauptgebäude einen König aus Schnee gebaut. Das hat viel Ärger und Untersuchungen mitgebracht. Erst nach der Wiederherstellung unserer staatlichen Freiheit hat man mithilfe des schwedischen Staates die Statue von Gustav Adolf wieder aufgestellt. Zur Eröffnung kamen der schwedische König und die Königin. Die Bevölkerung von Estland war begeistert. Damals hat ein Student von mir im Männerchor gesungen, und er konnte deshalb das königliche Paar sehr nahe sehen. Er war so begeistert, als er davon sprach, wie schön die Königin war.“ Hinter dem Hauptgebäude der Universität von Tartu befindet sich seit einigen Jahren wieder das Denkmal König Gustav II. Adolf von Schweden.

© Eva Filice 2024-01-18

Genres
Romane & Erzählungen, Reise
Stimmung
Herausfordernd, Reflektierend
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